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John Blek: Bei den vier Elementen zu Hause

Ein Konzertbesuch kann durchaus lohnend sein. John Blek bringt etwas auf die Bühne, das der reine Tonträgergenuss logischerweise vorenthält. Er braucht nicht viel, um sein Publikum bestens unterhalten und gleichermaßen gut geerdet zurückzulassen. Gesang und Gitarre plus gelegentlicher Einsatz von Schlagzeug oder Klavier und humorvolle Überleitungskommentare zwischen den Songs reichen ihm vollauf. Wie das sein kann? Der gebürtige Ire ist in seiner Heimatstadt Cork bei den vier Elementen zu Hause, daran liegt es wohl. Sein achtes reguläres Studioalbum "Until The Rivers Run Dry" (K&F) findet sich dann aber doch mit üppigeren Arrangements ausgestattet.

Den vier Elementen sind die vier Vorgängeralben zu "Until The Rivers Run Dry" gewidmet. Die griechischen Philosophen der Antike, die zu dem Schluss kamen, es bedarf gar nicht der Götter, dass der Mensch erkennt, was die Welt im Innersten zusammenhält, sondern jegliches Sein besteht aus einem Mischverhältnis der irdischen Grundelemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, standen allerdings nicht Pate bei "Catharsis Vol. 1", "Thistle & Thorn", "The Embers" beziehungsweise "On Ether & Air".

Mit seiner Themensetzung, verriet John Blek anlässlich einer Interviewverabredung am Rande seines Auftritts beim Dresdner Palais Sommer 2022, wollte er lediglich seinem künstlerischen Schaffen einen Handlungsrahmen auferlegen, mehr nicht. Im Übrigen sei Irland eine Insel, die Elemente beherrschten das Leben tagtäglich und böten ihm ein immerwährendes Labsal der Freude. "Ich schaue gern auf einen Fluss, bade gern im Meer, wärme mich an kalten Tagen gern am Kaminfeuer, genieße im Sommer die Blütenpracht des Gartens."

Aber Philosophie studiert hat er?! "Nein, ganz sicher nicht! Mein Bemühen gilt der Schönheit, die in den einfachsten Dingen liegt. Das in Worte und Melodien zu fassen, ist meine Hommage an das, was mich umgibt."

Die höhere Schulbildung wäre zweifellos eine Option gewesen. Seine Eltern, beide Lehrer, konnten ihn mit dem Versprechen auf eine neue Gitarre bewegen, doch die Primary School abzuschließen, mit einem Leaving Certificate Examination in der Tasche, das zum Hochschulstudium berechtigt. Stattdessen tingelt John Blek durch die Pubs von Cork und Umgebung, jobbt zum Broterwerb im Music Center von Mick Crowley, demselben Instrumentenladen, wo ein gewisser Rory Gallagher seine berühmte erste Stratocaster erwarb.

Die Anregung zu "Empty Pockets", erschienen auf "The Embers", lieferte ein Obdachloser, der ab und zu im Laden reinschaute. "Jeder in Cork kannte den Mann, er schlug sich mit Betteln und Straßenmusik durch. Wenn es regnete, kam er in den Laden, verzog sich in den hinteren Bereich, vergaß die Welt und gab seine Musik zum Besten, eine sehr eigenwillige, sehr freie Musik. Zwischenzeitlich musste der Laden schließen und ich war Vollzeitmusiker geworden, als bei meiner Rückkehr von einer Europatournee zu Hause auf dem Küchentisch die Ausgabe einer lokalen Tageszeitung lag. Auf Seite drei oder vier ein Foto, darunter stand, Obdachloser Conor O'Hagan, so hieß er, gestorben. Zusammen mit dem Foto abgedruckt ein Interview mit seinem Vater, der erzählte, sein Sohn hätte ein Zuhause haben können, wenn er gewollt hätte. Aber er entschied sich für ein Leben ohne irdischen Besitz, um frei zu sein und niemals jemand anderem gehören zu müssen. Eine mutige Entscheidung, mein tiefster Respekt. Die Eröffnungszeile zu 'Empty Pockets' beginnt mit den Worten 'following the sky'. Das war Conor O'Hagans Motto, verriet sein Vater in dem Zeitungsinterview. Immer, wenn die beiden Kontakt hatten und der Vater sich nach dem Befinden seines Sohnes erkundigte, sagte der, mir geht es gut, I'm following the sky. Ein sehr spezieller Song, bedeutet mir viel."

Nun, nachdem die Tetralogie zu den Elementen vollendet ist, wollte John Blek mit den facettenreicheren Arrangements auf "Until The Rivers Run Dry" eine neue Schaffensphase einläuten, Langzeitmitstreiter Brain Casey war wie immer behilflich. "Bei ihm in seinem Wavefield Recording Studio im westirischen Clonakilty entstanden die Basistracks, zu einem Drumcomputer, was ich immer schon mal ausprobieren wollte. Drumcomputer sind weniger steif als der Klicktrack, wirken aber immer noch wie eine Maschine. Später kamen Davey Ryan, Chris McCarthy und Kid Downes an Schlagzeug, Kontrabass und Piano hinzu. Bei jeder Albumeinspielung versuche ich Kollegen einzubeziehen, die ich schätze. Diesmal fiel die Wahl auf Sängerin und Songschreibein Cathy Davey aus Dublin. Ich höre ihre Schallplatten, seit ich neunzehn bin. Sie kam zu uns ins Studio und hat unglaubliche Backingvocals beigetragen. Violinist Colm Mac Con Iomaire, der die Streicherarrangements besorgt hat, war Mitglied bei The Frames, der ersten Band von Glen Hansard, die ich ebenfalls sehr verehre. Ich weiß um meine Defizite als Musiker, kann aber auf Partner bauen, die die Fehlstellen ausfüllen, von denen ich nicht mal ahne, dass es sie gibt."

Die Krone der Albumschöpfung sei "Lovelorn", schwärmt John Blek. Eine Songklangwelt nach Art von Phil Spector sei dort gelungen, auf Grundlage eines Schlagzeugbeats wie bei den Ronettes. Und der Titelsong zu "Until The Rivers Run Dry"? Ist ein Liebeslied, das eine Beziehung beschwört, die so lange bis die Flüsse austrocknen, also ewig halten wird. Aber Konzertbesuchern wird die Begleitgeschichte sicherlich noch um einiges detaillierter und humorvoller beigebracht, davon ist auszugehen.
Bernd Gürtler SAX 4/23


John Blek
"Until The Rivers Run Dry"
(K&F Records; 17.2.2023)


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Konzerte
02.10.23 Dörphof, The Upstage
03.10.23 Hamburg, Freundlich+Kompetent
04.10.23 Köln, Weltempfänger
05.10.23 Bielefeld, Tor 6 Theaterhaus
06.10.23 Grevenbroich, Kultus das Café
07.10.23 Helmbrechts, Filmwerk
09.10.23 Graz, Die Scherbe
10.10.23 Wien, Café Clash
11.10.23 Annaberg-Buchholz, Alte Brauerei
27.-29.10. Saint Davids, Boia Festival
24.11.23 Kinsale, Bibliotherapy
25.11.23 Dublin, The Cobblestone
 

Foto: John Blek
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Foto: Fionn Hennessy Hayes

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