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Für die fleißigen Helfer im Hintergrund: Der Soli-Sampler "Ihr fangt alles an" von K&F Records

Unter der Überschrift "Ihr fangt alles an" veröffentlicht das Dresdner Schallplattenlabel K&F einen Soli-Sampler. Das Album mit zwölf bislang unveröffentlichten Songs unter anderem von Gisbert zu Knyphausen, Wayne Graham, Woods Of Birnam, Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi, Hello Emerson, Lemur oder Die höchste Eisenbahn erscheint digital über Bandcamp, dem weltweit wichtigsten Webportal für Onlinemusik. Der Erlös kommt nicht den Musikern zugute, sondern ihren Crewmitgliedern, sprich den Tontechnikern, den Lichttechnikern, den Begleitmusikern, den Busfahrern, den Tourmanagern, ohne die eine reibungslose Konzertabwicklung undenkbar wäre.

"Die Künstler", erläutert Mario Cetti, neben Lars Hiller einer der beiden K&F-Gründer im Telefoninterview, "verdienen wenigstens noch an Schallplattenverkäufen, Streams oder Merchandising. Das läuft weiter, trotz Coronakrise. Aber die fleißigen Helfer im Hintergrund sind komplett arbeitslos, wenn keine Konzerte stattfinden. Sie haben überhaupt keine Lobby, niemanden, der für sie eintritt. Das ist kein organisiertes Gewerbe. Also dachten wir, dass wir ein Zeichen setzen und den Fokus auf diese Menschen richten sollten, um Geld aufzutreiben, das zumindest kleinere Löcher stopft."

Vielleicht wäre das hier eine ideale Gelegenheit in aller Deutlichkeit auszusprechen, wie wichtig die fleißigen Hände im Hintergrund sind.
Der normale Konzertbesucher kriegt das in der Regel gar nicht mit, wie viel Arbeit in jedem einzelnen Konzertauftritt steckt, bevor die Musiker am Abend auf die Bühne treten. Schon Monate im Vorfeld werden Techniklisten hin und her geschickt, wird gegrübelt, wie sich eine Show im jeweiligen Klub umsetzen lässt. Am Veranstaltungstag dann muss alles aufgebaut, eingemessen und zurechtgerückt werden. Eine fünfköpfige Band, die ein halbwegs professionelles Niveau erreicht, ist mit fünf bis zehn Crewmitgliedern unterwegs. Ohne sie wäre kein Konzerterlebnis möglich.

Hinter dem Firmenkürzel K&F verbirgt sich nicht nur ein Label, sondern auch eine Bookingagentur. Ihr seid beides, und vertreten auf "Ihr fangt alle an" Künstler aus beiden Bereichen.
Bei uns sind die Grenzen fließend, aber am Ende kann man immer sagen, wir arbeiten mit Musikern. Je nachdem wie die Bedürfnisse liegen, besorgen wir das Booking, sind wir Label oder auch Management. Für unseren Soli-Sampler dachten wir, fragen wir am besten alle, und erfreulicherweise wollten alle sofort mitmachen.

Dadurch, dass sich bei euch mehrere Betätigungsfelder überschneiden, scheint die Bindung der Künstler an K&F ungewöhnlich eng.
Wir sind tatsächlich ein sehr kleiner Pool von Leuten und oft selbst mit den Künstlern auf Tour. Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hinter Merchandisingtischen stand oder endlose Autofahrten im überfüllten Sprinter absolvieren durfte. Wir kennen das Tourleben, wir kennen die Crewmitglieder. Das war ein zweiter Antrieb, dass wir uns sagten, die Crews, das sind Freunde, da müssen wir jetzt tätig werden.

Genauso stellt sich Außenstehenden das eben auch dar. K&F bedeutet ausgeschrieben Kumpels & Friends, und das scheint kein Lippenbekenntnis zu sein. Der beste Beleg auf "Ihr fangt alle an" scheint Gisbert zu Knyphausens "Kurt K schreibt einen Brief an seinen Vater" zu sein. Es braucht ein vertrauensvolles Umfeld, um ein solch privates Bekenntnis an die Öffentlichkeit zu geben.
Genau deshalb war der Song noch nie auf Tonträger erschienen, weil Gisbert immer Angst hatte, dass das eins zu eins genommen wird und jeder denkt, was hat der denn für eine zerrüttete Beziehung zu seinem Papa. Der Song ist ein Auftragswerk gewesen, geschrieben für ein Theaterprojekt, das auf den Tagebüchern von Kurt Cobain beruht, der offenbar ein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater hatte. Das verpackte Gisbert in einem fiktiven Brief. Er hat den Song ab und zu live gespielt, konnte sich aber noch zu keiner Veröffentlichung entschließen, hat bei dem Sampler aber gesagt, ach komm', ist ein guter Song, lass' uns das nehmen dafür.

Geradezu prophetisch wirkt "Zahlen und Namen" von Lemur. Das passt auf die Coronakrise wie exakt dafür geschrieben!
Wirklich abgefahren mit dem Kollegen. Wir hatten für April eine Tour mit ihm gebucht, zehn Tage, die letztlich nicht stattfinden konnten. Er war schon im Januar der Meinung, dass das, was sich damals gerade in China abspielte, ganz furchtbar wird. Wir werden noch mit den Ohren wackeln, wenn das Virus erst bei uns in Zentraleuropa wütet, sagt er. Wir haben bloß geschmunzelt und gemeint, ach Quatsch, China, das ist weit weg. Lemur war in unserem Umfeld der einzige, der gewarnt hat, dass wir Riesenprobleme kriegen werden, auch beruflich.

Eröffnet wird "Ihr fangt alles an" mit Moritz Krämers "Hier fängt alles an". Hatte nicht deine Bookingtätigkeit mit Moritz Krämer begonnen?
Nicht ganz, tatsächlich ging es los mit Gisbert zu Knyphausen. Ihn kannte ich schon, bevor er seinen ersten Schallplattenvertrag unterschrieb. Für ihn habe ich als Student vom PC-Pool der TU Dresden aus die ersten Konzerte gebucht. Und er hat mich Moritz Krämer vorgestellt, der damals auch noch niemanden hatte, der sich professionell um ihn kümmert. Diese beiden, Gisbert und Moritz, sie sind meine langjährigsten Begleiter in der Branche und sehr gute Freunde inzwischen.

Moritz Krämer erzählte letztes Jahr im SAX-Interview, ihr hättet euch über MySpace kennengelernt.
Genau, so ist das auch mit Gisbert gewesen, das lief über MySpace, wo man in seinem Bandprofil Songs einstellen konnte. Dort haben wir uns gegenseitig beschnuppert. Die beiden fanden unsere Bands gut, wir fanden sie gut. So hat das angefangen.

Veröffentlicht wird euer Soli-Sampler ausschließlich digital. Warum kein physischer Tonträger?
Die Künstler, wenn sie nicht auf K&F Records erscheinen, stehen bei anderen, teils großen Schallplattenlabels unter Vertrag. Für eine CD, ein Vinylalbum hätten wir Lizenzen einholen müssen, den anderen Labels eventuell Prozente vom Erlös abtreten müssen. Vielleicht hätten wir das Material auch so bekommen, aber wir wollten nicht, dass uns Organisationsscherereien dazwischen grätschen. Es musste schnell gehen, deshalb nur eine digitale und zeitlich begrenzte Veröffentlichung über Bandcamp.

Der Sampler verkauft sich hoffentlich trotzdem in nennenswerter Stückzahl?!
Ja, die Künstler haben das Projekt über eigene Websites und Social-Media-Kanäle verbreitet. Es war ihnen ein Anliegen, dass ihren Crews geholfen wird. Für jeden Verkauf schickt Bandcamp eine E-Mail, die ersten Tage nach Veröffentlichung war mein Postfach übervoll mit E-Mails von Bandcamp. Fünf bis fünfzehn Verkäufe täglich sind es jetzt immer noch.

Aber egal wie üppig der Erlös ausfällt, es dürfte nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein oder?
Das stimmt, reich wird keiner davon. Aber darum ging es uns nicht. Wir wollten diejenigen nach vorn holen, die noch viel weniger eine Lobby haben als die Musiker. Man sieht es doch jetzt, es sind Hilfsgelder an Musiker geflossen, aber nicht an die Crews. Wir wollten den Crews zeigen, ihr seid nicht vergessen. Auch wenn keine Megasummen zusammenkommen, aber vielleicht reicht es für einen Mietzuschuss hier und da. Manche haben sich auch von sich aus gemeldet, wenn sie einen Überbrückungsjob abfassen konnten und gesagt, gebt das mal dem oder der, die brauchen es nötiger. Unter den Crewmitgliedern ist eine große Solidargemeinschaft zu beobachten gewesen. Das ist schön und eine der positiven Seiten dieser Krise, dass man merkt, hier geben Leute aufeinander Acht.

Auf Dauer werden sich die Probleme sicherlich mit keiner noch so ertragreichen Spendenkampagne stemmen lassen. Viel zu dramatisch die Verwerfungen, die die Coronakrise hinterlässt!
Für die Branche ist das eine absolute Katastrophe. Immer, wenn man denkt, jetzt ist das Gröbste überstanden, kommt es bloß noch schlimmer. Die Probleme werden sich auf Jahre hinaus verschieben. Alles, was vom Frühjahr und Sommer krampfhaft versucht wurde in den Herbst zu verlegen, wird sich erst im nächsten Jahr nachholen lassen. Dann finden die Konzerte statt, die 2020 nicht stattfinden konnten. Das heißt aber, dass Künstler, die geplant hatten, 2021 regulär auf Tour zu gehen, keine freien Termine mehr finden in den Klubs, auf den Festivals. So dass derjenige, der im Augenblick noch nicht betroffen ist, nächstes oder übernächstes Jahr womöglich in Schwierigkeiten kommt. Über die Spätfolgen der Coronakrise werden wir uns noch lange unterhalten.

Es gibt doch aber Hilfsprogramme von Bund, Ländern und Kommunen!
Ja, das Land Berlin hat in Berlin ansässigen Musikern sofort 5000€ gezahlt, Dresden 1000€ für Dresdner Soloselbständige. Das hilft, zumal das Geld auch zur Kompensation für ausgefallene Gagen verwendet werden darf. Bei den anderen Hilfsprogrammen können lediglich Betriebskosten geltend gemacht werden. Auf welchen Musiker trifft das zu, die meisten haben ihr Instrument und ihre Kreativität und jetzt bricht ihnen das Einkommen weg. Hier ist die Politik gefragt. Was soll aus unserer Kultur werden?

Für euch bei K&F kommt die Coronakrise zur Unzeit. Das Label ist über die Jahre gewachsen, das letzte Album von Wayne Graham stand in den Kritikercharts der deutschen Ausgabe der US-Musikzeitschrift Rolling Stone mehrere Wochen auf Platz eins. Der Agenturbetrieb lief passabel, euer Sound Of Bronkow Festival erfreut sich größter Beliebtheit.
Auch wenn wir gewachsen sind, sind wir klein geblieben. Die beiden K&F-Gründer, also Lars Hiller und ich, können nicht von der Firma leben. Im Moment freuen wir uns sehr, dass wir über unseren Onlineshop mehr direkt verkaufen. Man merkt, dass unser Publikum uns unterstützen will.

Welche Erkenntnisse und Einsichten hat euch die Krise bisher gebracht?
Dass die Kultur, die wir vertreten generell keine Lobby hat. Hilfsprogramme sind auf ganz andere Zielgruppen zugeschnitten, nicht auf Kreative wie uns. Aber ich nehme auch mit, dass unser Publikum uns beistehen will. Es haben sich Leute bei uns gemeldet und gefragt, hey, ich habe einen sicheren Job, verdiene gut, kann man euch finanziell unter die Arme greifen? Das ist tatsächlich passiert. Ein Stammgast unseres Sound Of Bronkow-Festivals rief an und meinte, falls die Bank sich quer stellt, könne er uns einen Kredit gewähren. Da musste ich erst mal schlucken und dachte, irre! Gut zu wissen, dass wir durch unsere jahrelange Arbeit so eine Freude bereiten konnten, dass unser Publikum uns durch diese schwierige Zeit helfen wird.
Bernd Gürtler SAX 6/20 


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Foto: K&F Records

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