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John Blek: Leere Taschen, eine Glut im Herzen

Als die griechischen Philosophen der Antike darangingen sich zu fragen, ob es die Götter braucht, dass der Mensch erkennt, was die Welt im Innersten zusammenhält, kamen sie zu dem Schluss, nein, Götter sind entbehrlich. Die Kraft des eigenen Verstandes befähigt den Menschen, sich selbst einen Reim auf die Welt zu machen. Der nächste, kaum weniger epochale Erkenntnisschritt brachte hervor, dass jegliches Sein in einem bestimmten Mischverhältnis aus den vier Grundelementen Feuer, Wasser, Erde und Luft besteht. Ein Denkmodell, das John Blek und seinen virtuos gezupften Folkballaden aktuell als konzeptioneller Rahmen dient.

Eine Tetralogie zu den vier Elementen sollte es geben, das war der Plan. Bereits 2017 erschien "Catharsis Vol. 1" zum Element Wasser, gefolgt 2019 von "Thistle & Thorn" zum Element Erde. "The Embers" (K&F) vom Februar 2020 rankt sich um das Feuer. Genauer gesagt um die Glut, die vom Feuer bleibt, bevor es endgültig erlischt, oder sich eignet ein neues Feuer zu entfachen. Der Eröffnungssong "Empty Pockets" stellt klar, dass eine wahrhaft leidenschaftliche Glut im Herzen eines Singer/Songwriters lodern muss, der seiner Kunst sogar dann nachgeht, wenn die Taschen am Ende des Tages leer bleiben. Die Textstelle "Empty pockets, freedom in my heart/Nothing to lose so nothing can be lost" wirkt auf den ersten Blick wie eine Verwandtschaft zum von Kris Kristofferson geschriebenen und durch Janis Joplin berühmt gewordenen "Me & Bobby McGee", wo es heißt "Freedom is just another word for nothin' left to lose" und gemeint war, dass erst der Verzicht auf sämtlichen irdischen Besitz absolute Freiheit garantiert. Das düstere Video zu "Empty Pockets" jedoch wendet den eher euphorischen Grundton von "Me & Bobby McGee" ins komplette Gegenteil.

An übernächster Stelle, bei "Ciara Waiting" assoziiert John Blek das Glutbett mit einer romantischen Liebesbeziehung. "Walls" beklagt den ideologischen wie physischen Mauerbau, der Hochkonjunktur hat, egal, wohin man schaut. "Revived" lässt im Videoclip anklingen, was es ist, das wiederbelebt oder, um im Bilde zu bleiben, angefacht werden muss. Die Menschlichkeit nämlich, angesichts von Krieg und Vertreibung, Armut und gnadenloser Ausbeutung. Zugegeben, kein wirklich neues Thema, unbequem obendrein. Aber vielleicht ließ sich John Blek deshalb in der Crawford Art Gallery seiner Heimatstadt Cork vor einer berühmten antiken Marmorskulptur fotografieren, die Laokoon und seine beiden Söhne darstellt, den gewieften Priester Trojas, der die Finte der Stadtbelagerer erkannte, vor dem hölzernen Riesenpferd warnte und dafür von Athene mit zwei Schlangen bestraft wurde, die ihn und seine Söhne tötete. Oder ist die Skulpturensammlung schlicht deshalb als Kulisse gewählt worden, weil John Blek weiß, wir verdanken es bärtigen Griechen, die unerschrocken den Schierlingsbecher leerten oder umweltverträglich in Holztonnen lebten, dass wir nicht aufhören an uns selbst und die Welt Fragen zu stellen?! Immerhin, auch das wäre eine Deutungsmöglichkeit.
Bernd Gürtler SAX 3/20 
 


John Blek
"The Ember"
(K&F; 7.2.2020)


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Foto: K&F Records
Foto: K&F Records

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