|   Rezension

Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer

Recordings From The Åland Islands

(International Anthem)

Die Åland Islands in der nördlichen Ostsee am Eingang zum Bottnischen Meerbusen, auszumachen auf Onlineweltkarten höchstens bei entsprechender Vergrößerung. Aber schön dort, regelrecht idyllisch, nicht von ungefähr gepriesen die Inselgruppe als "Bullerbü im finnischen Schärenmeer". Auf einer der Inseln, sie heißt Kumlinge, übernahmen ehemalige Nachbarn von Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer die Touristenherberge Svala. Die beiden halfen bei der Renovierung und entwickelten spontan das Konzept zu "Recordings From The Åland Islands".

Das Album ist sowohl Musique Concrète als auch Ambient Music, lässt in der Tradition von Pierre Schaeffers "Étude pour chemin de fer" oder Jon Hassells "Vernal Equinox" Umgebungsgeräusche einfließen, erzeugt aber auch ähnlich Brian Enos "Music For Airports" einen Sound, der sich zur Ausgestaltung bestimmter Räumlichkeiten eignet. Eine intelligente Klangtapete gewissermaßen, deutlich ambitionierter als die als Fahrstuhlmusik verpönte Muzak. Abgesehen vielleicht von Pink Floyds "Dark Side Of The Moon", blieb das Konzept weitgehend ein Steckenpferd experimentierfreudiger Außenseiter.

Zu denen sich Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer unbedingt zählen dürfen. Beide kommen aus musikbegeisterten Elternhäusern, beide studieren in Chicago, Illinois Musik, beide finden Anschluss an die berührungsangstfreie Improvisiersubkultur der Windy City. Begegnet sind sich Violinistin Marta Sofia Honer und Synthesizertüftler Jeremiah Chiu als Mitwirkende einer Aufführung von Terry Rileys "In C" durch das Chicagoer Minimalistenensemble Bitchin Bajas.

Egal ob die geneigte Hörerschaft wiedererkennt, was die beiden Urheber einfangen wollten, nämlich "Two magical activities, biking through the islands at 1 a.m. during the everlasting dusk of the midnight sun, and taking a boat ride through the archipelago" beziehungsweise ein "reflective piece, set in the evening to late-night hours where the sun is hovering along the horizon, gently dipping towards, but never fully going away" oder sich eigene Assoziationen einstellen, "Recordings From The Åland Islands" bleibt ein famoses Albumdebüt, das Marta Sofia Honer und Jeremiah Chiu in die Lage versetzen dürfte, aus dem Schatten ihrer Erwerbsjobs zu treten und zu wachsen.

Wie die Åland Islands selbst, von denen es heißt, dass sie sich erst nach dem Ende der letzten Eiszeit nach und nach vom Grund des Baltischen Schilds erheben konnten und Jahre für Jahr immer noch eine Winzigkeit weiter aus den Wassern der Ostsee herausragen. Geologen, die es wissen müssen, sind sich sicher und können das Phänomen sogar mit Messdaten belegen.
BG/TM


Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer
"Recordings From The Åland Islands"
(International Anthem; 11.3.2022)


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Foto: ChuiHoner
Foto: ChuiHoner

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