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Laibach reaktivieren "Opus Dei"

Als "Opus Dei" Mitte der achtziger Jahre bei Mute Records in London erschien, galten Laibach noch als ausgemachte Neofaschisten. Besonders in Westdeutschland, wo die Situation vergleichbar war mit der heutigen fast weltweit. Der barrierefreie Zugang zu jedweder Information garantiert eben noch lange nicht, dass ausschließlich Blitzmerker das Land bevölkern. Den sichersten Hinweis auf die Gesinnung lieferte angeblich das Innencover von "Opus Dei", wegen der vier zu einem Hakenkreuz gebundenen, blutbesudelten Äxte. Offenbar war den wenigsten bekannt, dass es sich im Original um eine Fotomontage des deutschen Künstlers und leidenschaftlichen Antifaschisten John Heartfield handelte, entstanden 1934 im Prager Exil.

Den Ossis, auf die natürlich keiner gehört hat, war zumindest instinktiv klar, dass Laibach aus der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien totalitären Gesellschaftsverhältnissen entstammen und sich totalitärer Kunstformen bedienen ähnlich Elvis Presley, der naheliegenderweise den schwarzen Blues des Mississippi Deltas anzapfte oder den Beatles, die sich in Großbritanniens Tradition der Music Halls und Varietys stellten.

Mit den martialischen Coverversionen von "Life Is Life", einem Gassenhauer der österreichischen Opus sowie Queens "One Vision", wollten Laibach deutlich machen, wieviel Totalitarismus drinsteckt, wenn Rockmusik zum Massenereignis wird, wie es sich seit Ende der siebziger Jahre durch immer gigantischere Stadionkonzerte abzeichnete; Roger Waters verfolgte im Schlusskapitel von Pink Floyds "The Wall" ähnliche Gedanken, wurde aber ebenso gründlichst missverstanden.

Weitgehend unbeachtet blieb bislang "The Great Seal", der Schlusssong zu "Opus Dei". Laibach verarbeiten dort Passagen einer Rede von Winston Churchill, bekannt unter der Überschrift "We shall fight on the beaches" und gehalten am 4. Juni 1940 im House Of Commons des britischen Parlaments. Zu jenem Zeitpunkt hatte sich Nazi-Deutschland bereits Österreich unter den Nagel gerissen, ebenso die sudetendeutschen Gebiete der Tschechoslowakei und Großbritanniens Unterhändler Neville Chamberlain gab im Rahmen des Münchner Abkommens auch noch den Rest des Landes preis, weil er fand, es sei klüger, dem Größenwahnsinnigen in Berlin entgegenzukommen, vielleicht gibt er sich zufrieden.

Der aber dachte gar nicht ans Aufhören, sondern überfiel Polen, Belgien, die Niederlande, Luxemburg und schließlich Frankreich. Im Mai 1940 war eine Invasion Großbritanniens nicht mehr auszuschließen. Vor diesem Hintergrund wurde Churchill von Mitgliedern der britischen Regierung erneut zu Verhandlungen gedrängt. Wie bitteschön, blafft er der Überlieferung zufolge in die Kabinettsrunde zurück solle man mit dem Tiger verhandeln "mit dem Kopf in seinem Maul". Von da an organisiert er, dass Nazi-Deutschland für seine widerwärtige Kriegstreiberei auf die Schnauze bekommt. Ohne sein konsequentes Handeln wäre Europas Geschichte des vergangenen Jahrhunderts höchstwahrscheinlich um einiges anders verlaufen.

Sicherlich wollten Laibach mit der Verwendung des Churchill-Zitats bloß ihre Entschlossenheit demonstrieren, im Mitte der Achtziger eben noch sozialistischen Jugoslawien für ihre künstlerische Autonomie einzutreten. Vier Jahrzehnte später wirkt "Opus Dei" wie ein wuchtiger Fausthieb in die Magengrube, der augenblicklich ins Bewusstsein ruft, welcher weltpolitischen Gemengelage wir uns seit Februar 2022 gegenüber sehen. Ein Schelm, der denkt es sei purer Zufall, dass Laibach gerade jetzt "Opus Dei" reaktivieren.

Erweitert die Neuedition um diverse Konzertversionen von "Life Is Life"/"Leben heißt leben" und "One Vision"/"Geburt einer Nation". Ein Rätsel bleibt, weshalb die auch musikalisch weitaus interessanteren Bonusstücke der Neuauflage von 2016 fehlen, darunter "Herz-Felde", gewidmet John Heartfield, der bürgerlich Helmut Herzfeld hieß.
Bernd Gürtler/TM


Laibach
"Opus Dei"
(Mute; 10.5.24)


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Foto: Laibach
Foto: Catlin Ljubljana

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