Es sei völlig in Ordnung, wenn die Medien bei jeder Gelegenheit seine Vergangenheit aufwärmen. Gäbe es nichts Erzählenswertes, wer würde seinen Songs überhaupt Beachtung schenken, sinniert Micah P. Hinson 2006 gegenüber dem Webmagazin Bring There. Dass seine Eltern Neil Diamond und John Denver mochten, er durch den älteren Bruder zu The Cure und Ministry fand, von sich aus Sonic Youth, Dinosaur Jr. und Nirvana entdeckt oder ein begeisterter Skateboarder war, macht unter Showbusinessaspekten wirklich wenig Eindruck. Deutlich mehr Aufmerksamkeit verspricht seine schwere Drogenabhängigkeit mit anschließender Privatinsolvenz und Obdachlosigkeit, eingehandelt wohl auch aus Protest gegen die kleinstädtische Enge von Abilene, Texas, wohin die Familie gezogen war, nachdem der Vater mit einem PhD in der Tasche eine Professur an der örtlichen Abilene Christian University angeboten bekam.
Einer Eingebung folgend erkennt Micah P. Hinson, nicht "God is punishing me for anything. It's me just making kind of wrong decisions" und beschließt sich selbst einen Gefallen zu tun. Er zieht weg von Zuhause, besorgt sich einen Job, kehrt zurück aufs College, um seine Ausbildung abzuschließen. Erste Demosongs, münden 2004 direkt ins offizielle Albumdebüt. Die britische Tageszeitung The Guardian jubelt, "Micah P. Hinson And The Gospel Of Progress" würde Alternative Country "twisting into new shapes". Das Mojo Magazine zeigt sich überwältigt von den "moments of such ferocious soul-baring" und staunt, dass der Künstler die Einspielsession überstanden hat "without collapsing into a puddle of pain and shredded nerves".
Eine geplagte Seele, die sich wacker gegen jedwede Gestaltungsschablone stemmt. Verlangt die Dramaturgie schräge Blechbläser, launische Synthesizereinwürfe oder ziemlich frei improvisierte Instrumentalpassagen, findet genau das statt. Bei "Micah P. Hinson Presents The Holy Strangers" von 2015 handelt es sich offenbar um ein Konzeptalbum mit Fokus auf religiösen Themen. "I Lie To You", erschienen 2022, wirkt deutlich konventioneller, lässt wegen der eingängigen Formen aber auch stärker das unendlich Schmerzvolle der Songtexte hervortreten. Rekapituliert "Please Daddy, Don't Get Drunk This Christmas" Kindheitserinnerungen an einen trinkwütigen Vater, offenbart "People" jemanden, der sich noch erinnern kann, wie Menschen füreinander einstanden, als Heranwachsender miterleben muss, dass gegenseitige Verletzungen und Hass zur Regel werden, um schlussendlich jeden Glauben an das Gute aufzugeben; "Now I am old/I see people ignoring people all the time/Because we are people ignoring people in their prime/I find that people killing people is now the norm/Because we are now people killing people after the long, dark storm" heißt es im Songtext.
Wiederbelebt für "I Lie To You" auch das Coverkonzept seiner ersten sechs Studioalben einschließlich "Micah P Hinson And The Gospel Of Progress" sowie diverser Singles und EPs. Abgelichtet jeweils Kitty La Rue, ein befreundetes Modell. Die offenherzige junge Dame zeigt sich auf den Schwarzweißfotografien niemals anders als in provokant verführerischer Pose, was der Schwermut seiner Songs überraschende Sinnlichkeit verleiht. Konzertauftritte jüngeren Datums bestreitet Micah P. Hinson häufig im Duo mit seinem amtierenden Produzenten Alessandro Stefana, der einen Schnürboden voller Gitarren, Pedal Steels, Banjos, Fiddles, Mandolinen, Pianos, Harpsichords und Omnichords beherrscht. Kein Instrument, das der Mann nicht zupfen, streichen, betasten kann!
Bernd Gürtler/TM
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