Übereinstimmend berichten Astronauten wie Kosmonauten von einem Gefühl der Erhabenheit, einem tieferen Verständnis und Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Erde, als sie ihren Heimatplaneten das erste Mal aus dem Weltraum betrachten konnten. Der amerikanische Wissenschaftler und selbsternannte Space Philosopher Frank White bezeichnet dieses gewiss überwältigende Erlebnis in seiner gleichnamigen Buchpublikation als Overview Effect. Steven Wilsons achtes Studiosoloalbum versucht nichts Geringeres als die Sinneswahrnehmungen der Raumfahrer in Klänge zu fassen, verwoben mit eigenen Gedanken und Ideen zu Weltall, Erde, Mensch.
Tonträgerveröffentlichungen, die zu vernachlässigen wären, sind in seinem Backkatalog Mangelware, das Niveau sowohl solo als auch mit seiner Formation Porcupine Tree durchweg bemerkenswert. Aber "The Overview" übertrifft alles, ein wahrer Überflieger, ein echtes Juwel! Was in der Vergangenheit jemals an Stileinflüssen aufgegriffen wurde, findet sich deutlich weniger bemüht als noch beim Albumvorgänger "The Harmony Codex" verarbeitet. Sein gesamter Erfahrungsschatz in einer Nussschale, mit Bedacht eingesetzt, reduziert auf das Wesentliche, so dass Transparenz entsteht und der Hörerschaft Luft bleibt, sich in Beziehung zu setzen. Wenig überraschend, wenn Pink Floyds "Dark Side Of The Moon" anklingt. Signifikant auch Harmoniefolgen und Sangesweisen, die an Yes noch aus Zeiten mit Jon Anderson erinnern. Der Gitarreneinsatz wechselt zwischen Heavy Metal, Akustikfolk und Jazz. Es mag bislang kaum bedacht worden sein, aber mit den beiden jeweils knapp zwanzigminütigen Langformen von "The Overview", hat Steven Wilson seine Solostimme gefunden. Ausgezeichnet!
Bernd Gürtler/TM
Steven Wilson
"The Overview"
(Virgin; 14.3.25)
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