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Dieses etwas andere Beschäftigungsfeld: Steven Wilson über seine Tätigkeit als Remixingenieur

Er singt, spielt Gitarre, Keyboards und eine Reihe weiterer im Rockkontext eher selten zum Einsatz gebrachter Musikinstrumente wie Autoharp oder Hackbrett. Auch als Produzent gilt sein Name etwas. Besonders gern werden seine Dienste in Anspruch genommen, wenn Wiederveröffentlichungen von King Crimson, Jethro Tull oder Tears For Fears anstehen. Steven Wilson wird dann als Remixingenieur angefragt. Hier gewährt der gebürtige Engländer Einblick in dieses etwas andere Beschäftigungsfeld.

Was genau leistet ein Remixingenieur?
Er besorgt die Wiederherstellung einer Klangwelt auf Grundlage der Originaltonbänder. Voraussetzung ist, dass die Originalbänder als Mehrspureinspielung vorliegen, sprich Bass, Gitarre, Schlagzeug über verschiedene Spuren verteilt sind. Das muss neu zueinander in Beziehung gesetzt werden, möglichst nahe am Original, aber auch zu Gunsten von mehr Transparenz. Die digitale Technik hat immense Fortschritte gemacht. Früher klang digitale niemals so gut wie analoge Technik. Heute lässt sich eine Klarheit erzeugen, die schlicht sensationell ist. Ich weiß, viele mögen das nicht. Ihnen gefällt das Muffige der Originale, was zugegeben auch seinen Reiz hat. In der Hauptsache unterzieht man sich der Mühe ohnehin nur, um einen 5.1 Surround Sound zu schaffen. Ein Stereomix macht sich als Zwischenschritt erforderlich. Das erste Remixprojekt, an dem ich beteiligt gewesen bin, betraf King Crimson. Als Robert Fripp den neuen Stereomix hörte, war er von den Socken. Er könne Details entdecken, die ihm bislang entgangen seien, hat er geschwärmt. Entsprechend wurde der Stereomix mitgegeben. Bei späteren Projekten wurde das beibehalten.

Nun bedeutet 5.1 Surround Sound, dass es sich um einen Mehrkanalmix handelt, richtig?
Stimmt.

Aber gestaltet sich das nicht schwierig? Klassische Rockalben der sechziger und frühen siebziger Jahre wurden doch bestenfalls mit Achtspurbandmaschinen aufgenommen, wobei einzelne Instrumentengruppen zwischendurch auf einer Spur zusammengefasst wurden, um Platz zu schaffen für weitere Instrumente. Wie lässt sich das im Nachhinein wieder trennen, um einen Mehrkanalmix zu bekommen?
Damals wurde auch schon mit Sechzehn- oder Vierundzwanzigspurmaschinen gearbeitet, dort ist das überhaupt kein Problem. Aber es trifft zu, King Crimsons Debütalbum "In The Court Of The Crimson King" lag als Achtspureinspielung vor. Zum Glück war zu mehreren Stücken jede Menge Sessionmaterial erhalten geblieben, das sich mit den Masterbändern synchronisieren ließ.

Bei welchem Stück zum Beispiel?
Unter anderem bei "Epitaph". Auf dem Masterband waren Schlagzeug und Bass auf einer Spur zusammengefasst, zwei weitere Spuren sind mit Mellotronstimmen, die übrigen Spuren mit Gitarren und Gesang belegt gewesen. Aus den Sessionbändern konnten wir Schlagzeug, Bass und Gitarren extrahieren, sogar in unbearbeiteter Form und dank digitaler Technik dem originalen Masterband hinzufügen. Eine ungeheuer aufwändige Prozedur, aber über diesen Umweg erhielten wir einen Mehrkanalmix.

Gedacht war 5.1 Surround Sound ursprünglich für die Kinobeschallung. Auf Rockmusik angewandt wurde das Verfahren erstmals Ende der neunziger, bei Wiederveröffentlichungen von Steely Dan und den Eagles. Anschließend verschwand es in der Versenkung, erst neuerdings wurde es wieder zu einem wichtigen Verkaufsargument bei Tonträgern. Was brachte den Durchbruch?
"Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" von den Beatles, eins der bedeutendsten Rockalben der Populärmusikgeschichte weltweit. Als das als 5.1-Version vorlag, fanden viele, dass das der richtige Moment sei, das Equipment anzuschaffen. Später entdeckten sie, dass es auch King Crimson oder Jethro Tull in 5.1 gab. Zugegeben, ein Riesenmarkt ist das nach wie vor nicht. Aber einer, der stetig wächst.

Einen Musikmarkt für 5.1 Surround Sound gibt es tatsächlich? Oft sind diese Veröffentlichungen Bestandteil umfangreicher Boxsets, wie bei King Crimson mit bis zu fünfzehn CDs und das jeweils zu einem sehr stolzen Preis. Ganz zu schweigen vom Abspielequipment, das extra angeschafft werden muss und seine Wirkung nur in Wohnzimmern entsprechender Größenordnungen entfaltet. Gleichzeitig legen sich die Leute in der Regel nicht mal mehr herkömmliche Heimstereoanlagen zu, sondern geben sich mit Smartphones zufrieden und hören MP3s, die vielleicht noch im Internet geklaut sind.
Eine fatale Entwicklung, gar keine Frage. Aber es ist dasselbe wie mit der Vinylschallplatte. Die Umsätze ziehen deutlich an, und dasselbe Publikum, das eine schöne Vinylpressung zu schätzen weiß, begeistert sich für 5.1 Surround Sound.

Vorbildlich hingegen die Veröffentlichungspolitik bei Jethro Tull. Deren Boxsets zu Albumklassikern wie "Aqualung" oder "Songs From The Wood" beschränken sich auf vier, höchstens fünf Tonträger und enthalten neben der 5.1-Version sowie einem neuen Stereomix gerade so viel an bislang unveröffentlichten Songs, an Videoclips, an Audio- und Filmmaterial von Konzertauftritten, dass der interessierte Fan zu einem moderaten Preis ein umfassendes Zeitdokument in die Hand bekommt. Die Krönung sind die jeweils ausführlichen, absolut kenntnisreichen Begleittexte. Bei "Stand Up!" wurde sogar das Klappbild des originalen Vinylcovers nachempfunden!
Jethro Tull sind das Maß aller Dinge. Was Ian Anderson an Information, an Archivmaterial bietet, unglaublich! Ich bin dankbar, dass ich an diesen Veröffentlichungen mitwirken durfte.

Was war dein bislang schwierigstes Projekt?
"Songs From A Big Chair" von Tears For Fears. Bei der Albumeinspielung sind 1985 zweiundsiebzig Spuren verwendet worden.

Warum überhaupt ein Mehrkanalmix? Schallplatten sind zuerst für die Mono- später Stereowiedergabe zu Hause vorgesehen gewesen. Konzertbesucher erleben eine ähnliche Frontalbeschallung.
Schon, aber die Musiker bewegen sich sowohl im Studio als auch auf der Bühne in der Musik. Sie sind von Musik umgeben.

Zu den Ersten, die das sowohl dem Publikum im Konzertsaal als auch im heimischen Wohnzimmer nacherlebbar machen wollten, gehörten Pink Floyd. Bereits in den Sechzigern sind bei ihnen Konzerte mit Surround Sound beschallt worden. Ihr Album "Dark Side Of The Moon" erschien Anfang der Siebziger in einer Abmischung für quadrophone Wiedergabe.
Mag sein, aber ich würde eher an Karlheinz Stockhausen denken, der bereits in den Fünfzigern Stücke wie "Kontakte" für eine Vierkanalwiedergabe im Konzertsaal schrieb.
Bernd Gürtler Cybersax 6/18


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Foto: Lasse Hoile
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Foto: Andrew Hobbs
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