Was hat sich seit deinen ersten beiden Alben "Inzwischen Dazwischen" und "Heute HIER, morgen DEUTSCH" von 2019/22 für dich ergeben?!
Eine Menge, was meine Projekte in Burkina Faso, hier in Deutschland und mein Leben dazwischen angeht.
Was ist aus deinem Germanistikstudium erwachsen?
Ich pflege enge Kontakte zu Germanistikstudent*innen in Burkina Faso. Inzwischen sind es einige, die sich regelmäßig wegen bestimmter Projekte in Deutschland aufhalten. Es bereitet mir Freude, ihnen Dresden zu zeigen und mit der Stadt vertraut zu machen. 2023 bin ich drei Wochen Gast der School Of Modern Languages & Cultures der Durham University gewesen. An der Universität Siegen arbeite ich an meiner Dissertation. Ein Langzeitprojekt, aber ich gehe die kleinen Schritte, die ich gehen kann und lasse mich überraschen.
Pendelst du oft zwischen Dresden und Ouagadougou?
So oft ich kann, es gibt mir unheimlich Kraft, wenn ich in Burkina Faso sein kann. Es ist jedes Mal viel zu tun und trotzdem schön zu sehen, wie die Dinge wachsen und gedeihen. Wenn ich in Deutschland bin, unterstütze ich mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen, Initiativen wie 'Fridays For Future' oder 'Wir sind die Brandmauer'.
Wie kommt dein 2021 eröffnetes Schulprojekt in Burkina Faso voran?
Ich bin stolz, aber auch unglaublich dankbar für das, was sich in letzter Zeit ergeben hat. Inzwischen ist ein weiterer Ausbildungszweig hinzugekommen. Frauen bekommen Nähen, Weben und artverwandte Handwerkstechniken vermittelt, um ihnen berufliche Perspektiven zu eröffnen. Das läuft supergut. Das Biogartenbauprojekt läuft auch sehr gut. Wir halten die Klassen bewusst überschaubar, um die Kosten stemmen zu können, die Finanzierung ist immer eine Herausforderung. In dem Viertel von Ouagadougou, aus dem ich komme, konnten wir zusätzlich ein Begegnungszentrum eröffnen, das sich als Treffpunkt für Künstler*innen etabliert hat. Wir veranstalten jeden Monat Konzerte oder Kunstausstellungen. Wenn ich nicht dort sein kann, schaue ich mir die Veranstaltungen oft auf dem Smartphone im Livestream an.
Werden deine Projekte in Burkina Faso von offiziellen Stellen gefördert oder eher behindert?
Behindert werden sie nicht, aber die Unterstützung kommt vorrangig aus dem privaten Umfeld. Die Schule finanziert sich über die beiden Fördervereine APECA und TAM e.V. in Burkina Faso beziehungsweise Deutschland. Meine Freund*innen und die Familie unterstützen meine Projekte ebenfalls. Wir sind zufrieden und versuchen, die kleinen Teller in die großen zu bringen, wie es bei uns so schön heißt.
Was von deinen Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre ist in das dritte Album eingeflossen?
Einige Lieder sind schon vor langer Zeit geschrieben worden, am Ende musste eine Auswahl getroffen werden. Das Material hätte für ein Doppelalbum gereicht, aber für ein Doppelvinyl mangelte es an finanziellen Mitteln. Jetzt bin ich aufgeregt, weil viel Persönliches verarbeitet ist aus meiner Zeit in Deutschland. Glücklich bin ich auch deshalb, weil ich Ende vergangenen Jahres eine Spendenaktion für mein Album gestartet hatte und miterleben durfte, dass sich die Menschen angesprochen fühlten von den Songthemen, die ich online gestellt hatte. Mein Vorhaben fand breiten Zuspruch in der Öffentlichkeit und erhielt zusätzlich eine Förderung durch die Initiative Musik in Berlin.
Was verbirgt sich hinter dem Albumtitel "Schwarz wurde Ich"?
Dahinter verbirgt sich die politische Ebene meines Schwarzseins in Deutschland. Dass ich Schwarz bin, ist mir erst in Deutschland bewusst geworden. Die Zeit nach meiner Ankunft in Dresden schwankte zwischen Freude und Traurigkeit. Es war mein Traum hier sein und weiter studieren zu können, und aus der Perspektive eines jungen Burkinabé, der Stapel von Büchern gelesen hatte, stimmte das Bild einerseits. Andererseits nicht wirklich. Die ersten Tage in Dresden lief ich durch die Stadt, sprach Leute auf der Straße an, ich wollte mein Deutsch testen und Kontakte knüpfen. Ich wusste nicht, dass Dresden wegen Pegida eine gespaltene Stadt ist. Ich wusste nicht, wie problematisch das für Menschen schwarzer Hautfarbe sein kann. Meine erste Begegnung mit Dresden empfand ich als verstörend. Damals beschloss ich, dass ich mich bewusst mit den Ereignissen auseinandersetzen will. "Schwarz wurde Ich" bündelt meine bisherigen Erfahrungen als schwarzer Mensch in der Öffentlichkeit. Das Album soll zum Ausdruck bringen, dass ich jetzt mehr zu mir, mehr zu meiner Identität stehe. Ich persönlich habe keine Macht darüber, was andere in mir sehen. Manche Dinge verselbständigen sich und führen zu einem Schubladendenken. Immerhin kann ich sagen, wer ich bin und bleibe offen für Veränderungen.
Das Presseinfo zum Album vermerkt, dass du vom Teilnehmer einer Dresdner Pegida-Kundgebung aus der Straßenbahn geworfen wurdest.
Das war an einem Montag, ich wohnte damals in Dresden-Weißig und befand mich auf dem Weg zu einem Probenraum an der Löbtauer Straße. Ich hatte online gebucht, saß in der Straßenbahn und bemerkte plötzlich massenhaft Deutschlandfahnen auf der Straße. Jemand in der Straßenbahn sprach mich an, ich verstand nicht, was er von mir wollte und bekam Angst. Ich bin aufgestanden und an der nächsten Haltestelle ausgestiegen. Der Vermieter des Probenraums hat mich später mit dem Auto wieder nach Weißig gefahren. Ich wusste nicht, was Pegida bedeutet und dass die Kundgebungen immer montags im Stadtzentrum stattfinden. Aber damals ist meine Auseinandersetzung damit in Gang gekommen. Ich weiß jetzt, ich muss gegenhalten, mich behaupten, meine Angst annehmen. Anfeindungen sind ein Bestandteil meines Alltags, sei es auf der Mikroebene oder der Makroebene. Das wollte ich mit meinem Album verarbeiten. Aber noch mehr steht das Empowerment im Vordergrund, die Selbstermächtigung, dass ich laut ausrufe, ich liebe meinen Migrationsvordergrund!
Du bist wegen der Anfeindungen, die dir entgegengebracht wurden, überrascht gewesen, weil du aus den Büchern der kultivierten Dichter und Denker ein ganz anderes Deutschland kanntest?!
Genau, das war ein Schock! Meine Politisierung ist damals auch noch nicht so weit gewesen, dass ich gewisse Zusammenhänge verstehen konnte. Heute weiß ich, die Bücher schön und gut, aber wer sich mit Sprache beschäftigt, sollte sich darüber informieren, was es bedeutet, Migrant*in zu sein. Was erwartet einen im Alltag, womit müssen wir rechnen. Untereinander sprechen wir oft über unsere Erlebnisse, wie es ist, beim Verlassen des Supermarkts kontrolliert zu werden, weil davon ausgegangen wird, dass man sich etwas eingesteckt hat. Immer wieder solche Erfahrungen machen zu müssen, ist voll nervig. Es ist wichtig, das anzusprechen.
"Schwarz wurde Ich" lebt von zahlreichen Gastbeiträgen.
An dem Album sind wunderbare Menschen beteiligt! Unter anderem die Dresdner Ausnahmekünstlerin Anna Mateur bei "Kein Platz für Nazis". Ich wusste von ihr schon vor meiner Zeit in Dresden. Meine Dresdner Gastfamilie hatte mich auf sie aufmerksam gemacht, weil deren Tochter damals für sie arbeitete. Ich hörte mir einige Songs online an, verstand damals bloß nicht viel. Das hat sich inzwischen geändert und jetzt bin ich froh, dass sie dabei ist. Darüber hinaus ist die deutsch-kongolesische Sängerin Melane aus Köln beteiligt, bei "Migrationsvordergrund", weil sie den Begriff auch sehr oft benutzt. Sie hat eine Strophe des Songs geschrieben. Mit Fleur aus Ouagadougou als Gastsängerin, entstand ein Remake meiner Hommage an meine Heimatstadt, mit dem Burkinischen Comedyduo Les Séparables eine Neufassung von "Nakataye", einem Kinderlied.
Worum geht es in dem Lied?
Dass der Weg das Ziel ist. Wir sangen es als Kinder immer auf dem Weg zur Schule. Ich will damit Hoffnung verbreiten, weil es irgendwann immer ein Ankommen gibt.
Wegen der modernen Elektrobeats unterscheidet sich "Schwarz wurde ich" stilistisch von den beiden Vorgängeralben.
Meine Musik lebt und darf sich weiterentwickeln. Die südafrikanische Stilrichtung Amapiano sowie Afro-Trap und Drill sind im Album verarbeitet.
Bernd Gürtler/TM
Ezé Wendtoin
"Schwarz wurde Ich"
(Nikiema Roots Music; 28.5.24)
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