|   Rezension

Steven Brown

El Hombre Invisible

(Crammed Discs)

Steven Brown war 1977 Mitbegründer von Tuxedomoon, deren selbstauferlegtes Arbeitsmotto besagte, dass "anything that sounded like anything else" zu unterbleiben hat. Eine Vermeidungsstrategie mit wahrhaft herausragenden Ergebnissen. Frühe Alben, darunter "Half-Mute", "Desire" und "Holy Wars", wirken noch heute wie Zeitkapseln aus einer sehr fernen Zukunft und sollten der Band den Ruf einbringen, dass sie, obwohl von gebürtigen Amerikanern in San Francisco gestartet, eigentlich aus Europa käme. Prompt wurde die Operationsbasis nach Europa verlegt. Nach Brüssel, um genau zu sein.

Steven Browns wichtigster Tuxedomoon-Mitstreiter Blaine L. Reininger verabschiedete sich nach zwölf Jahren in der belgischen Kapitale Richtung Griechenland. Er selbst entschied sich für Mexiko als neuen Lebensmittelpunkt und bezog in Oaxaca Quartier.

Der Bundesstaat im Süden des mittelamerikanischen Landes gilt als von ethnischer Vielfalt und bitterer Armut geprägt. Von dort aus komponiert Steven Brown für Tanztheater, Bühnenstücke und Modenschauen weltweit. Die Musik für den mexikanischen Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover stammte von ihm.

Und wie zuvor bei Tuxedomoon, finden sich in seinem vorläufigen Solowerk immer wieder Soundtracks, unter anderem zu Sergei Eisensteins unvollendeten Film "¡Que Viva Mexico!" oder dem Dokumentarstreifen "El Informe Toledo" über den Maler, Bildhauer und Aktivisten Francisco Toledo.

"El Hombre Invisible" erinnert ebenfalls an die Filmkunst. Gitarre, Bass, Klavier und Flügelhorn erwecken den Eindruck als würden vergilbte Celluloidfundstücke aus Großvaters Zeiten zum Klingen gebracht. Die Songthemen sind im Heute angesiedelt und kreisen laut Presseinfo des Schallplattenlabels um Steven Browns mexikanische Erlebniswelt aus Erdbebenerfahrungen, einer Entführung, einer Begegnung mit Zapatistas aus Chiapas, der Konfrontation mit den nach wie vor präsenten Spuren der spanischen Eroberung. Inspiration auch seine langjährige Tätigkeit als Kulturaktivist beziehungsweise die ausgeprägte Liebe zur Natur und den Menschen seiner Adoptivheimat.
BG/TM


Steven Brown
"El Hombre Invisible"
(Crammed Discs; 24.6.2022)

Foto: Philippe Levy

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