|   Beitrag

Analog ist besser: Stoppok und seine Wahl der Mittel ein klares Statement

Bodenständig lautet die Begrifflichkeit, die Stoppok treffend charakterisiert. Der gebürtige Hamburger, aufgewachsen im nordrheinwestfälischen Essen, steht mit beiden Beinen fest im Leben. Sein zwanzigstes Studioalbum "Teufelsküche" von Anfang 2024 darf als besonders gelungen gelten, die Wahl der analogen Einspielmethode als Statement gewertet werden.

Nicht bestätigen möchte Stoppok, dass "Teufelsküche" deshalb so dermaßen prächtig gedeihen konnte, weil die Lockdowns der Coronajahre Konzerttourneen mehr oder weniger unmöglich machten und der Fokus daher stärker auf dem Ausarbeiten des Songmaterials lag. Unbedingt nachvollziehbar jedoch, wenn Außenstehende solche Verbindungen herstellen, immerhin lassen sich bestimmte Songs auf Pandemieereignisse zurückführen. "Klugscheißeralarm" zum Beispiel. Gewiss noch lebhaft in Erinnerung, wie sich die halbe Menschheit plötzlich zum Virologen und Impfexperten berufen fühlte. Um ein Vielfaches verstärkt das leidige Phänomen durch soziale Medien. Stoppok weiß sofort, wovon die Rede ist. "Zum Glück befinde ich mich in der privilegierten Situation, dass mein Publikum mitdenkt, zu differenzierter Betrachtung fähig ist. Richtig erwischt hatte es mich bei 'Lasst sie alle rein', meinem Song zur Flüchtlingsproblematik. Damals ging ein massiver Shitstorm der rechten Szene auf mir nieder." Was dagegen geholfen hat? "Das Abschalten der Kommentarfunktion bei YouTube. Auf Facebook und Instagram wurde ich ebenfalls angegriffen, bin aber nicht in die Gegenoffensive gegangen. Man darf sich erst gar nicht auf Diskussionen einlassen. Wahrscheinlich wurde auch deshalb schnell wieder von mir abgelassen, weil ich vergleichsweise unbedeutend bin. Für mich sind soziale Medien nur noch Werbetools, über die ich verbreite, wann und wo ich die nächsten Konzerte ankündige und was es sonst an Neuigkeiten gibt. Inhaltlich wird nichts mehr gepostet."

Sein mitdenkendes, zu differenzierter Betrachtung fähiges Publikum und die ihm sehr angenehme, freilich höchstens relative Bedeutungslosigkeit verdankt Stoppok dem Umstand, dass er auch nicht auf die Klugscheißer im Musikgeschäft gehört hat. "Ich könnte ein ganzes Buch füllen mit Ratschlägen, die mir von Schallplattenfirmen erteilt wurden. Nach wie vor glauben die dort, dass, wenn ein Künstler megaerfolgreich ist, alle Künstler genauso sein müssten. Völliger Quatsch! Kreative Vielfalt, darauf kommt es an. Neulich bin ich meinem ersten Verleger begegnet. Er war einer derjenigen, die regelmäßig ermahnten, Stoppok, du brauchst einen Hit. Inzwischen fand er, ich könnte auf den ganzen Rummel verzichten. Ich brauchte keine Hits, alle meine Songs seien Hits."

Recht hat der Mann, und wer es nicht glaubt, einfach das Titelstück von "Teufelsküche" zu Gemüte führen, wie es geschmeidig ins Ohr geht und eben nicht nur vordergründig den Teufel verspottet, weil selbiger samt seiner Brutzelstube Gentrifizierungsmaßnahmen zum Opfer fiel. Zu denken geben sollte, dass der Inbegriff des Bösen offenbar Mächten weichen musste, die noch weitaus bösartiger sind. Genau darum geht es, entgegnet Stoppok. "Der Teufel, wie wir ihn aus der Überlieferung kennen, ist ein Schisser gegen die, die kommen." Und die Menschen im Alltag ihrerseits werden langsam gewahr, dass die Bedrohung echt ist? "Eine gewisse Skrupellosigkeit macht sich breit, richtig. Früher ist der Teufel der unausstehliche, nervige Nachbar gewesen, heute eine Immobilienfirma, die Gebäude aufkauft und luxussaniert, ohne Rücksicht auf das Sozialgefüge. Bei uns in Hamburg müssen Klubs schließen, obwohl auch die Klubs es sind, weswegen Touristen die Hansestadt besuchen. An Stelle der Klubs werden Hotels hochgezogen, mehr Menschen können übernachten. Aber einer der Hauptgründe, nach Hamburg zu kommen, verschwindet. Das kommt davon, wenn in Hinterzimmern nur noch nach Zahlen entschieden wird und niemand mehr die Zusammenhänge sieht."

Song Nummer zwei, "Wer du wirklich bist", will dann ins Bewusstsein rufen, was aus der Mitmenschlichkeit wird, wenn konfrontiert mit Ausnahmesituationen, scheint es. "Genau, sobald das Sozialgefüge wegfällt, zeigt sich, wer wir wirklich sind. Entweder du wirst zum Arschloch oder entdeckst auf dich gestellt deine Kraft und handelst verantwortungsvoll. Vorbei die Zeiten, als die Leute am Stammtisch diskutierten und sich vielleicht auch mal gegenseitig auf die Nase hauten. Heute finden Begegnungen im luftleeren Raum der sozialen Medien statt, ohne Korrektiv. Keiner muss mehr Verantwortung übernehmen für das, was er ablässt".

Zwar ändert sich das inzwischen zumindest ansatzweise. Dennoch, seine Wahl der Mittel bei der Einspielung von "Teufelsküche" ein klares Statement und gedacht als Gegenstück zu dem, was hauptsächlich noch ist. "Wir wollten zu hundert Prozent analog aufnehmen, auf Bandmaschine und Magnettonband. Damit sind wir wieder bei dem, was gesamtgesellschaftlich fehlt, dass man nach Gemeinsamkeiten sucht und Verantwortung übernimmt für das, was man tut. Aufnehmen auf Magnetband bedeutet, die gesamte Band arbeitet in ein und demselben Raum und jeder gibt sein Bestes. Anschließend ausbügeln lässt sich fast nichts. Du spielst den Song, hörst dir das an, entscheidest, ob das gut ist oder nicht. Wenn nicht, wird eine neue Version versucht. Heutzutage wird bei der meisten Musik, die wir zu hören bekommen, alles Mögliche in den Computer gehauen, um nachträglich irgendwas zusammenzubasteln. Eine völlig andere Arbeitsweise. Ich bin mir sicher, dass man hört, wie sehr die Grundstimmung eine andere ist, wenn in der Gemeinschaft Musik gemacht wird. Analog ist deutlich besser!"
Bernd Gürtler/TM


Stoppok
"Teufelsküche"
(Glitterhouse; 9.2.24)


Stoppok im Netz
Website | Facebook | Instagram | YouTube | Spotify | Deezer | Apple
 

Foto: Jim Rakete
Foto: Thomas Willemsen
Foto: Robert Grischek
Foto: Robert Grischek

neue Beiträge