|   Rezension

Pokey LaFarge

Rock Bottom Rhapsody

(New West/PIAS)

Vollkommen zutreffend, wenn das amerikanische National Public Radio urteilt, Pokey LaFarge "evokes the old-timey spirit of a thousand crackling 78 RPM records", und "when you encounter him face to face, he seems to gaze at you out of a dusty archival photo". Der Mann kennt sich eben aus in der Populärmusiktradition, die ihm als Erbmaterial herkunftsbedingt mitgegeben wurde. Jedoch verzichtet er auf schnöde Nostalgie und formt stattdessen Stilelemente der Vergangenheit sehr geschickt zu Songs für die Gegenwart. Mit "Rock Bottom Rhapsody" ist ihm ein grandioses neuntes Studioalbum gelungen.

Geboren 1983 in Bloomington, Illinois als Andrew Heissler und aufgewachsen in St. Louis, Missouri, verdankt Pokey LaFarge sein Geschichtsbewusstsein den beiden Großvätern. Der eine, Banjospieler in seiner Freizeit, war Mitglied des St. Louis Banjo Clubs. Der andere ein Hobbyhistoriker mit Schwerpunkt amerikanischer Bürgerkrieg und Zweiter Weltkrieg.

So richtig wie es sein wird, dass ältere Veröffentlichungen von Ragtime, Westernswing, Countryblues oder Vaudeville geprägt gewesen sind, so sehr ist diesmal der Geist des Rock'n'Roll der fünfziger Jahre präsent. Würde Buddy Holly noch unter uns weilen, er klänge wie "Rock Bottom Rhapsody"! Bereits im Vorfeld fanden zwei an originelle Videoclips geknüpfte Songauskopplungen über einschlägige Webportale Verbreitung. "Fuck Me Up" versteht sich offenbar als Persiflage auf die amerikanischen Südstaaten und ihr ewiges Hinundhergerissensein zwischen Schuld und Sühne, Eigensinn und Anpassung. "Lucky Sometimes" ist ein anrührendes Liebeslied mit vertauschten Geschlechterrollen. Nicht der männliche Protagonist gibt den Beschützer und Versorger der Frau, sondern umgekehrt fängt die Frauenfigur in schwierigen Zeiten einen Gestrauchelten auf. Beide begegnen sich auf Augenhöhe.
BG/TM


Pokey LaFarge
"Rock Bottom Rhapsody"
(New West/PIAS; 10.4.2020)


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Foto: Pokey LaFarge

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