Der Folkrock als bevorzugtes Stilmittel seiner Wahl, stand bei Richard Thompson zu keinem Zeitpunkt zur Disposition. Verfeinert höchstens die Fähigkeit, charakteristische Versatzstücke jedes Mal aufs Neue überraschend zu rearrangieren. "Ship To Shore" kann als Paradestück gelten, auch sein überragendes Gitarrenspiel betreffend. "Guitar Heroes" vom vorletzten Album "Still" setzt seinen Helden ein klingendes Denkmal. Richard Thompson zitiert fließend Django Reinhardt, Chuck Berry, Hank Marvin oder Bruce Welsch. Anleihen bei ihnen und anderen finden sich auf "Ship To Shore" als Feinstaubpartikel eingeatmet verstreut über das gesamte Album.
Dass er an seiner nicht eben frohgemuten Weltbetrachtung festhält, verraten Songs wie "Freeze", "The Fear Never Leaves" oder "Life's A Bloody Show" bereits anhand der Überschrift und thematisieren Hoffnungslosigkeit, posttraumatische Belastungsstörungen eines Kriegsveteranen beziehungsweise Donald Trump, einen der unausstehlichsten Zeitgenossen seit Ewigkeiten. Selbst wenn "Turnstyle Casanova" in der Textzeile "She says she will, the she says she won't, my confusion just increases" eine gewisse Orientierungslosigkeit andeutet, manifestiert sich auf "Ship To Shore" das Bedürfnis nach Heimkommenwollen. Hieß das Vorgängeralbum noch "13 Rivers", befindet sich Kapitän Graubart mit der roten Strickmütze inzwischen in Sichtweite der Küste. Wer weiß, was ihm die beiden Möwen auf seiner Schulter ins Ohr zwitschern, wenn keiner hinschaut.
Bernd Gürtler/TM
Richard Thompson
"Ship To Shore"
(New West Records; 31.5.24)
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