Feine Sache der Neosoul seinerzeit, im Kern aber eben die nahtlose Fortschreibung dessen, was James Brown, Otis Redding, die Staple Singers und Kollegen ab Mitte der sechziger Jahre geschaffen hatten. Dass das Genre doch noch eine erwähnenswerte Nachjustierung erlebt, geht nicht unwesentlich auf Homer Steinweissens Mitstreiter zurück.
Paul Spring ist der Urenkel des weithin geschätzten amerikanischen Dichters und Journalisten Joyce Kilmer und Enkel von Kenton Kilmer, Joyce Kilmers Sohn, der die einzige Tochter des amerikanischen Impressionisten Frederick Carl Frieseke, Frances Frieseke ehelichte und bei seinem Tod 1995 gleichfalls auf ein erfülltes journalistisches Schaffen zurückblicken durfte sowie zehn Kinder, sechsunddreißig Enkelkinder und vier Urenkel zurückließ.
Eine unglaubliche Vorgeschichte, die sich hier abzeichnet und spätestens seit seinem Soloalbum "Towards A Center" scheint Paul Spring bewusst um eine Fortsetzung bemüht. Sicherlich auch inspiriert von den Bildern seiner Ehefrau, der Malerin Sophia Heymans, verabschiedete er sich damals vom Folksound seiner frühen Jahre, zog seiner Akustikgitarre Nylonsaiten auf, und seine Songtexte sind seither weniger Storytelling als atmosphärisch dichte Poesie.
Ähnliches lässt sich über die Songtextbeiträge zu Holy Hive sagen. Soweit überschaubar, auf "Float Back To You" keine vom Gospel hergeleiteten, verweltlichten Hoffnungsbotschaften, keine sozialkritischen Anmerkungen wie im glorreichen Sixtiessoul, sondern sorgfältig gereimte Dichtkunst. Obwohl die Anmutung nach wie vor dem Soul entspricht.
Homer Steinweiss beschränkt sich mit der Beständigkeit einer Schreibmaschine eher auf ein arg entschleunigtes Metrum anstatt einen Beat vorzugeben. Das Saxophon von Leon Michels, die Trompete von Dave Guy oder die Harfe von Mary Lattimore dienen höchstens der sparsamen Kolorierung, so dass dem Gesang reichlich Raum bleibt. Wirklich ein bezauberndes Album, hätte besser kaum kommen können.
BG/TM
Holy Hive
"Float Back To You"
(Big Crown; 19.6.2020)