|   Rezension

Nina Hagen

Unity

(Grönland)

Die schrille Nina, das dürfte der erste Gedanke sein, der im Raum steht, sobald ihr Name fällt. Nicht ganz unverdient. Jahrzehntelang belieferte sie zuverlässig die Klatschspalten der Boulevardpresse, und die einschlägigen Medienorgane berichteten mit Freuden über irrwitzige UFO-Phantasien, grenzwertige Talkshowauftritte oder selten gesellschaftsfähigen Beziehungskram. Ausgeschlachtet als Marotten einer notorischen Skandalnudel sogar ihr Bekenntnis zu Buddhismus und Christentum. Die Musikerin geriet phasenweise völlig aus dem Fokus. "Unity" darf als Hinweis gelten, dass sich das ändern soll.

Rundum stimmig sind die ersten beiden Alben "Nina Hagen Band" sowie "Unbehagen" gewesen, eingespielt mit dem Quartett, das sich später unter dem Bandnamen Spliff selbständig machen sollte. Der angepunkte Hardrock, die tabubrechenden Songtexte, Nina Hagens Gesang zwischen junger Rockröhre und Operndiva, das fügt sich prächtig.

1982 erscheint "NunSexMonkRock", das erste Soloalbum, das eine gewisse Experimentierfreude erkennen lässt. Wirklich interessant wird es aber erst wieder bei "Freud Euch", mit dem NDW-haften Drumcomputergefrickel in "Stacheldraht", den Reggaeanleihen in "Tiere", dem räudigen Punkrock in "Lass mich in Ruhe!", dem Hare-Krishna-Chant in "Elefantengott Jai Ganesh". Davor und danach ein erschreckender Mangel an Originalität, wohl auch wegen von ihr selbst oder durch jeweilige Schallplattenfirmen falsch verordneter Mitstreiter was Produktion und Sessionpersonal angeht.

Dann 2010/11 "Personal Jesus" und "Volksbeat", beide bestückt mit Coverversionen teils in englischer Originalsprache teils ins Deutsche übertragen und auf die Beine gestellt zu einem einzigen Zweck, nämlich zur Verkündung der Frohen Botschaft.

"Unity" versucht sich an einer Quintessenz aus allem, was gewesen ist, kann mit P-Funk-Urgestein George Clinton und Bob Geldof hochrangige Gastsänger aufbieten, ist sowohl stilistisch als auch thematisch breiter angelegt und enthält mit "Atomwaffensperrvertrag", "Gib mir deine Liebe", "Venusfliegenfalle", "Geld, Geld, Geld", "Open Your Heart (Dinner Time)" sowie dem Titelsong zu "Unity" erstaunliche fünf Eigenkreationen. Dazwischen Coverversionen von Bob Dylans "Blowin' In The Wind" oder "16 Tons" aus der Feder von Merle Travis, "Shadrack" ist eine Referenz ans Alte Testament. Der Stimmumfang jetzt zwischen angejahrter Rockröhre und Brummbärbass. Nicht ausgeschlossen jedenfalls, dass noch ein großartiges Alterswerk ins Haus steht.
BG/TM


Nina Hagen
"Unity"
(Grönland; 9.12.2022)


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Foto: GABO

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