|   Rezension

Laura Marling

Song For Our Daughter

(Partisan/Chrysalis)

Arg strapaziert der Vergleich mit Joni Mitchell, dennoch nicht ganz aus der Luft gegriffen und mühelos erweiterbar auf Patti Smith. Die gewöhnlich gut informierten Kreise wissen zu berichten, dass Laura Marling an ihrem dreizehnten Geburtstag zwei Meilensteinalben der Rockgeschichte auf dem Gabentisch vorfand. Neben "Blue" sei das "Horses" gewesen, heißt es. Genau in dieser Tradition der schöpferischen, selbstbestimmten Rockfrauen steht sie heute. Belesen wäre eine weitere Zuschreibung, die sich regelrecht aufdrängt. Hinweise, wie es dazu kommen konnte, finden sich in ihrer Biographie.

Laura Marling ist die jüngste Tochter von Sir Charles William Somerset Marling, einem Baronet in der fünften Generation, der zu Hause im südenglischen Berkshire ein Tonstudio betrieb. Die Mutter war Musiklehrerein, verschiedene Quellen beschreiben beide Eltern trotz des verliehenen Adelstitels als Hippies. Im Anschluss an die Primary School eine Ausbildung an der Leighton Park School in Reading, einer privaten Bildungseinrichtung der Quäker, die neben Wissenschaftsdisziplinen und Mathematik Musikunterricht und kreatives Schreiben anbietet.

Sechzehnjährig zieht Laura Marlin zur älteren Schwester nach London, fest entschlossen eine Musikerkarriere einzuschlagen. Mit siebzehn veröffentlicht sie ihr Schallplattendebüt "The London Town EP", damals nach Kräften unterstützt von Mumford & Sons sowie Noah And The Whale. Ein Jahr später folgt mit "Alas, I Cannot Swim" das erste Album. Fortan zelebriert sie mit jeder weiteren Scheibe ihr Heranwachsen derart überzeugend, dass sie mehrere Jahre in Folge für einen Brit Award nominiert wird, den ersten als Best British Female Solo Artist sogar gewinnt.

Bis sie, nachdem Teenageangst sowie die Irrungen und Wirrungen des jungen Erwachsenseins bewältigt sind, 2016 bei "Semper Femina" weiß, wer sie sein will. Der Albumtitel bezieht sich auf das Epos "Aeneid" des griechischen Dichters Publius Vergilius Maro und bedeutet übersetzt aus dem Lateinischen "Always Woman". Noch bevor das Albumfinale vollständig ausklingt, fällt eine Studiotür ins Schloss, was wiederum an Henrik Ibsens Theaterstück "A Doll's House" anknüpft, und Laura Marling macht sich auf, ihre sowieso außergewöhnliche Musik weiter zu verfeinern. Im Duo mit Mike Lindsay als Lump, entsteht ein schlicht nach der gemeinsamen Band benanntes Album, das manchmal an Disco und Donna Summer erinnert, dann wieder Jon Andersons "Olias Of Sunhillow" aufscheinen lässt.

"Song For Our Daughter" jetzt, eingebettet in ein sparsames akustisches Flechtwerk, ist gespickt mit Referenzen. "Alexandra" verweist auf Leonard Cohens "Alexandra Leaving", "Only The Strong" auf Robert Ickes Bühnenstück "Mary Stuart", "Blow By Blow" auf Paul McCartney, "The End Of The Affair" auf Graham Greene. Das Titelstück bezieht sich auf die amerikanische Schriftstellerin Maya Angelou und deren "Letter To My Daughter", einen Brief an die Tochter, die sie nie hatte. Und über allem schwebt der Geist von Lou Andreas-Salomé, der ersten Psychoanalytikerin, die Rainer Maria Rilke eine maßgebliche Inspiration war. Wirklich selten solch geballte Bildung in der angloamerikanischen Populärmusik. Kein Penny Schulgeld scheint verschwendet.
BG/TM


Laura Marling
"Song For Our Daughter"
(Partisan/Chrysalis; 24.7.2020)


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Foto: Justin Tyler
Foto: Justin Tyler

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