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Grenzen überwinden: Calexico gönnen "Feast Of Wire" eine Jubiläumsedition

Mit Bedacht gewählt der Bandname. Calexico heißt eine kalifornische Ortschaft an der Grenze zu Mexiko und Grenzgänger wollten sie sein, nicht nur stilistisch. Tourneen absolviert die Formation um Joey Burns und John Convertino häufiger in Europa als zuhause in den USA. Das zahlt sich aus als nach drei Feldversuchen 2003 mit "Feast Of Wire" die Bandphilosophie in eine verbindliche Form gebracht ist. Das Album wird zum Kassenschlager überwiegend in der Alten Welt. Die Jubiläumsedition nun erweitert um den Bonussong "Alone Again Or" sowie Konzertaufzeichnungen aus Stockholm.

Mariachitrompeten in "Across The Wire", breitwandige Orchesterdramatik in "Black Heart", eine Pedal Steel Guitar, die "Close Behind" Spaghettiwesternatmosphäre verleiht, während das teilelektronische "Attack El Robot! Attack!" hervorragend als Soundtrack für schwarzweiße B-Movie-Science-Fiction der fünfziger Jahre geeignet wäre. Das Instrumental "Pepita" scheint Richtung Neue Musik verweisen zu wollen, "Dub Latina" nimmt Anleihen bei Jamaikas Dub Reggae, stilecht mit Melodica, "Crumble" ist astreiner Nachtklubjazz für späte Grübelstunden. Gut möglich, die zeitweise überstrapazierte Musikkritikerfloskel, wonach eine Band diverseste Stilgattungen miteinander verbindet, hatte bei Calexicos "Feast Of Wire" ihren Ursprung.

Weshalb "Alone Again Or" bei der Erstausgabe des Albums unberücksichtigt blieb, lässt sich höchstens vermuten. Vielleicht weil es zu sehr dem LoFi-Folk von "Quattro (World Drifts In)" ähnelt, das obendrein inhaltlich interessanter ist; der Song handelt von den Tarahumara-Indianern aus dem Norden Mexikos, die als exzellente Langstreckenläufer gelten und ablehnten als sie gefragt wurden, ob sie an Leichtathletikolympiaden teilnehmen wollen, weil im Kreis laufen keinen Sinn ergibt.

Das von einem schwelgerischen Akkordeon beflügelte "Sunken Waltz" thematisiert die Kanalsysteme, die Las Vegas, Phoenix, Tucson und Los Angeles vom Colorado River aus mit Wasser versorgen, wobei es sich auch um Medienkanäle handeln könnte, die bloß noch Schrott verbreiten. Benannt wurde "Feast Of Wire" nach Harry Crews und seinem erfolgreichsten Roman "A Feast Of Snakes" über Gewaltexzesse am Rande des alljährlichen Rattlesnakerodeos in Mystic, Georgia. Der Konzertmitschnitt aus Stockholm dokumentiert Calexicos urwüchsige Spielfreude jener Tage.
Bernd Gürtler/TM


Calexico
"Feast Of Wire"
(CitySlang; 26.5.2023)


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Foto: Holly Andres

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