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Motorpsycho: Die nimmermüden Norweger lassen es krachen

Kein Zufall, dass Motorpsycho im sechsunddreißigsten Jahr ihres Bestehens ein Album an den Start bringen, benannt nach der Band, wie es bei Debütveröffentlichungen üblich ist. "Motorpsycho" vom April 2025 geht mit der Gründung des eigenen Schallplattenlabels einher, was sich wie ein Neubeginn anfühlt.

Bei ihrer ersten Begegnung sind Bent Sæther und Hans Magnus Ryan kesse Teenager, besuchen dieselbe Schule in Steinkjer, einer Küstenstadt am Beitstadfjord, und schwärmen für Ritchie Blackmores Hardrockformation Rainbow. Jahre später studieren beide an der Technischen Hochschule von Trondheim. Grungerock ist inzwischen angesagt und der Name ihrer gemeinsamen Band Motorpsycho wie im Fall Mudhoney oder Faster Pussycat ausgeborgt von einem Streifen der amerikanischen Trashfilmikone Russ Meyer. 

Dass es nicht bei Hardrock, Grunge oder einer irgendwie nordisch eingefärbten Mischung aus beiden Stilgattungen bleibt, dafür sorgt Neuzugang Helge Sten, der eine Neigung zum Experimentellen implantiert. "Demon Box", erschienen 1993, verschafft eine erste Ahnung vom Aktionsradius, den Motorpsycho zukünftig beanspruchen werden. Eröffnet wird das Doppelalbum vom folkhaften "Waiting For The One", den Schlusspunkt setzt das wie aus dem Backkatalog von Kurt Cobains Nirvana geschnittene "The One Who Went Away". Dazwischen tummeln sich "All Is Loneliness" aus dem Songnachlass des New Yorker Avantgardisten Moondog, der einfallsreiche Progressive Rock von "Plan #1" und das wegen der putzigen Synthesizersounds auffällige "Tuesday Morning". 

Haargenau so geht es weiter, Motorpsycho verweigern sich der Beschränkung auf eine bestimmte Spielweise, organisieren sich mit "In The Fishtank" und "The Death Defying Unicorn" sowie "En Konsert For Folk Flest" Ausflüge in den Jazz beziehungsweise Kooperationen mit Big Bands und Sinfonieorchestern. "Let Them Eat Cake" ist eine Reminiszenz an die charmanten Ohrwürmer der glorreichen Sixties und offenbart ein Gespür für Eingängiges, das von "Phanerothyme" sowie "It's A Love Cult" aufgegriffen und fortgeschrieben wird. "Heavy Metal Fruit", "The Tower" oder "The All Is One" sind astreiner Hardrock, aber verblüffend facettenreich arrangiert. 

Solche stilistische Bandbreite, sagen Experten, sei ungewöhnlich in der norwegischen Populärmusiktradition, weshalb Motorpsycho in ihrem Herkunftsland stellenweise sogar auf Ablehnung stoßen. Nichtsdestotrotz oder vielleicht gerade deswegen können sie ein gutes Dutzend Auszeichnungen mit dem Spellemannprisen, einem norwegischen Äquivalent zum Grammy, verbuchen. 2015 widmete das Norwegian National Museum Of Rock in Trondheim, kurz Rockheim genannt, der Band unter dem Titel "Sonic Scientists" eine Sonderschau. 

Nach den beiden die Coronapandemie überbrückenden wie aufarbeitenden Alben "Yay!" und "Neigh!!", erscheint auf dem 2023 gegründeten, jetzt in Eigenregie geführten Schallplattenlabel Det Nordenfjeldske Grammofonselskab, abgekürzt NFGS, das neue, gewissermaßen reguläre Album "Motorpsycho" mit Hardrock der Extraklasse. Die nimmermüden Norweger lassen es krachen, Kommentare zum aktuellen Weltgeschehen inklusive. "I don't believe in conquest/I don't believe in war/I don't believe in rulers anymore/I don't accept their reasons/they all just reek of lies/of greed and of ambition and of demise/I don't believe in leaders/they’re only human too/no slaves and no masters just me & you" heißt es unter anderem in "The Laird Of Heimly". Eine Deutschlandtour ist für April/Mai 2025 angesetzt.
Bernd Gürtler/TM


Motorpsycho
"Motorpsycho"
(NFGS; 25.4.25)


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Konzerte
25.04.25 Berlin, Columbia Theater
26.04.25 Hamburg, Markthalle
04.05.25 Hannover, Faust
05.05.25 Bielefeld, Bogefabrik
06.05.25 Köln, Gloria
07.05.25 Freiburg, Jazzhaus
15.05.25 Schorndorf, Manufaktur
16.05.25 Dresden, Beatpol
17.05.25 Bremen, Schlachthof
20.06.25 Netphen, Freak Valley Festival
26.07.25 Breitenbach, Herzberg Festival

Foto: Espen Haslene

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