Finden Thome Yorke und Jonny Greenwood gerade keine Beschäftigung als Soundtrackkomponisten oder in anderweitigen Soloprojekten, gönnen sie sich mit The Smile putzige Songvignetten nach Art von Radiohead, zu deren Stammbelegschaft beide gehören. Aufgesetzt dann ein ambivalentes Schmunzeln zwischen experimentell und konventionell. "Don't Get Me Started" kombiniert entrückten Gesang mit pulsierenden, retrohaften Synthesizermustern, "Tiptoe" ein naives Pianointro mit opulenten Orchesterarrangements, "Bodies Laughing" Bossa Nova mit angedeuteten Mönchschorälen. "Instand Psalm" eignet sich hervorragend als Trostpflaster gegen Depressionen, wenn es zum arabisch gefärbten Streicherschwelgen heißt, dass die Leere vielgestaltig und "Loneliness a way to drown" sei. Welch überragende Instrumentalisten bei The Smile vereint sind, offenbart das minimalistische, dereinst von Adrian Belew bei King Crimson entwickelte Gitarrenspiel in "Zero Sum" zur rasanten Polyrhythmik von Schlagzeuger Tom Skinner, dem dritten, regulären Mann im Bunde.
Hervorgegangen ist "Cutouts" aus derselben Einspielsession wie "Wall Of Eyes" vom Januar 2024. Der Albumtitel korrespondiert mit dem Eröffnungssong "Foreign Spies" und geht zurück auf ein Verfahren zur Informationsübermittlung in der Agententätigkeit, gab Thome Yorke gegenüber ABC Australia zu Protokoll, und dass ihm die Begrifflichkeit im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien (die längst keine Theorien mehr sind) zu "Russia's interference in politics in the US and UK" via soziale Medien begegnet sei.
Schon bei Radiohead war die Auseinandersetzung mit den Gefahren neuer Technologien, mit Klimawandel, mit dem Fehlverhalten staatlicher Institutionen, mit Einsamkeit und Isolation ein Steckenpferd. Dass die Extravaganz bei The Smile auch kein schnöder Selbstzweck ist, ließ bereits "You Will Never Work In Television Again" vom Debütalbum "A Light For Attracting Attention" erahnen. Thematisiert dort der Machtmissbrauch einflussreicher Männer gegenüber jungen Frauen, die eine Fernsehkarriere anstreben. Womöglich diente Silvio Berlusconi als Vorbild, die berüchtigten Sexpartys des italienischen Medienmoguls und Politikers finden im Songtext Erwähnung.
Bernd Gürtler/TM
The Smile
"Cutouts"
(XL/Beggars; 04.10.24)
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