|   Aktuell

Einstürzende Neubauten: Aus anderen Welten

Tonkonserven oder Konzertauftritte, egal, bei den Einstürzenden Neubauten läuft es fast immer auf dasselbe hinaus. Entwickelt ihre Stücke zumeist aus Liveimprovisationen, die nachträglich im Studio überarbeitet werden. Sogar eine Bezeichnung für das Rohmaterial hat sich eingeschlichen, ihr dreizehntes reguläres Album ist danach benannt. Es heißt "Rampen" und wurde vorsichtshalber mit dem Warnhinweis "(Apm: Alien Pop Music)" versehen, denn ein mainstreamgeschultes Publikum kommt eher weniger auf seine Kosten.

Das Frühwerk aus den Albumklassikern "Kollaps", "Zeichnungen des Patienten O. T.", "Halber Mensch" oder "Fünf auf der nach oben offenen Richterskala" martialisch zu nennen, ist schlichtweg untertrieben. Eine im selben Zeitraum angefallene, vergleichsweise liebreizende Coverversion von Lee Hazelwoods "Sand", erschien erst später auf Querschnittkopplungen beziehungsweise als Bonusstück der CD-Wiederveröffentlichungen. Über die Jahre fanden beide Komponenten mehr und mehr zueinander, teils weil digitale Studiosoftware komfortablere Überarbeitungsmöglichkeiten bieten, teils weil ihr Herkunftsort Westberlin nicht mehr dieselbe Frontstadt an der Schnittstelle zweier politischer Blöcke ist wie in Vorwendezeiten, als die Narben des Zweiten Weltkriegs ähnlich wie im Ostberliner Stadtbild vielfach noch deutlich sichtbar gewesen sind.

Um eine Metapher für das gegenwärtige Berlin zu finden, bringt es nichts als Einspielrefugium seiner Musik noch Hohlräume in Autobahnbrückenpfeilern zu wählen wie ganz zu Anfang der Einstürzenden Neubauten. Als Hauptstadt des wiedervereinten Deutschlands ist Berlin manches, auf jeden Fall aber eine Partyhochburg. Passend dazu die Bühnenstaffage der Band aus farbenfrohen Basecaps und Fußbekleidungen, Glitzerjacketts, Fliege und Melone. Blixa Bargeld, dessen Songtexte freilich unverändert in die Irre führen, statt für Aufklärung zu sorgen, gibt mit seinem nach hinten gegeltem Haar, dem Edelspazierstock und einer Federboa um seinen Hals den Brian Eno zu Zeiten der ersten Mitgliedschaft bei Roxy Music.

Trotzdem muss jemand schon selbst zumindest ein kleinwenig andersweltlich sein, um sich auf "Rampen (Apm: Alien Pop Music)" einlassen zu können. Wiederum, wenn sich jeder ausnahmslos jedes auf den Kaminsims seiner netten Eigentumswohnung stellen könnte, wo kämen wir da hin? Im Herbst 2024 sind die Einstürzenden Neubauten unter anderem in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Tour. Was sie wohl an Rampen für die nächste Albumproduktion mitbringen werden?
Bernd Gürtler/TM


Einstürzende Neubauten
"Rampen (APM: Alien Pop Music)"
(Potomak; 5.4.24)


Einstürzende Neubauten im Netz
Website | Facebook | Instagram | Spotify | Deezer | Apple | YouTube 


Konzerte
05.09.24 Wien, Arena Open Air
06.09.24 München, Muffathalle
09.09.24 Berlin, Columbiahalle
14.09.24 Köln, E-Werk
15.09.24 Hamburg, Elbphilharmonie
05.10.24 Zürich, Volkshaus
06.10.24 Genf, Alhambra
08.10.24 Frankfurt/Main, Batschkapp
17.10.24 Leipzig, Haus Auensee
 

Foto: Thomas Rabsch
Foto: Thomas Rabsch

neue Beiträge