Mit "Der Blues ist tot" erschien Anfang 2019 das gewissermaßen zweite reguläre Album. Wieder ist alles selbstgemacht, wieder die Songtexte in deutscher Sprache verfasst. Bevor für das gemeinsame Trio die neue Konzertsaison richtig losgeht, fand Andi Valandi Zeit für ein Interview.
Krautblues, dieses Stiletikett von euch, ist das bloß eine Wortschöpfung, geschaffen um möglichste breite Aufmerksamkeit zu erzielen? Oder hat der Blues wirklich Pate gestanden.
Blues ist eine Inspiration gewesen, unbedingt sogar. Nicht nur die Musik, auch der Lifestyle, sofern das kein zu modernes Wort für eine sehr alte Musik sein sollte. Das Lebensgefühl jedenfalls hat mich genauso angesprochen.
Wie bist du an den Blues geraten?
Aus der Schule kannte ich HipHop, das hörten die Typen, die die coolen Mädels abkriegten. Damals dachte ich, dass das die Musik sei. Bis ich AC/DC entdeckte, durch eine Tributeband beim Elbhangfest. Dort merkte ich das erste Mal, wie Musik unter die Haut gehen kann. Später bin ich auf die Rolling Stones gestoßen, habe einiges von den Beatles gehört und darüber die schwarzen Bluesoriginale kennengelernt. John Lee Hooker, Muddy Waters, auch Buddy Guy.
Du bist Jahrgang 1990. Ist Blues nicht die Musik der alten Säcke?
Vielleicht liegt bei mir ein Gendefekt vor, wer weiß. Mir ist das dann aber egal, was andere hören, wenn ich weiß, mir gefällt das, mit mir macht das etwas, dann höre ich das. Nach und nach ist der Blues in meine eigene Musik eingeflossen. Mit einer früheren Band, Andi Valandi & Die Jägermeisters, das war schon eine Art Straßenblues. Sehr einfach gebaut, Snaredrum, Bluesharp, ich als Gitarrist und Sänger. Ich musste nur die Tonart vorgeben. Neue Songs konnten wir sofort spielen, ohne aufwändiges Proben. Manchmal fühlte ich mich an die Szene aus "Blues Brothers" erinnert, wo John Lee Hooker auf der Straße spielt. Auch wenn der Vergleich ein bisschen hoch gegriffen sein mag. Und Krautblues, unser Stiletikett, das geht zurück auf die Mutter meiner Kinder. Sie hatte die Idee. Uns gefiel das, und dabei blieb es.
Was verdankst du deinen Erfahrungen als Straßenmusikant?
Ich habe das noch ein bisschen weiter getrieben, bin bewusst zu Hause ausgezogen und habe den Sommer über tatsächlich auf der Straße gelebt. Mal hier, mal dort, in Leipzig, Rostock, Berlin. Das war gut. Ich finde, das sollte vielleicht nicht unbedingt Pflicht, aber doch ein Bildungsangebot werden. Dass Jugendliche, sobald sie alt genug sind, die Sommermonate rausgeschickt werden und irgendwie zurechtkommen müssen. Da lernt man viel. Man lernt den Dreck kennen. Man lernt aber auch die einfachen Dinge zu würdigen. Man bekommt ganz viel Ruhe und Erdung.
Eine bemerkenswerte biographische Episode jedenfalls bei jemandem, der das Abitur in der Tasche hat.
Ich habe rumprobiert, hatte eine Theatergruppe am Societätstheater und wollte vielleicht Schauspieler werden. Habe dann ein Studium begonnen, in Abfallwirtschaft und Altlasten. Bin mit meiner Freundin in ein besetztes Haus gezogen, danach wieder zurück zu Mama. Habe gemerkt, das Studium, da habe ich schon irgendwie Lust drauf, aber das Richtige ist es doch nicht. Die Form des Lernens liegt mir nicht, ich fühle mich isoliert. Der Ausweg schien zu sein, im Sommer rauszugehen und auf der Straße zu leben.
Unser Sohn ein orientierungsloser und jetzt auch noch wohnsitzloser Tramp, dachten deine Eltern bestimmt. Wie konnten deine alten Herrschaften das aushalten?
Aushalten, das trifft es ganz gut. Ich denke, ich habe sie stark an ihre Grenzen gebracht, besonders meine Mutter. Sie musste sich große Mühe geben, mir meinen Freiraum zu lassen. Das habe ich sicher oft überstrapaziert. Inzwischen ist aber alles wieder in Ordnung.
Die Songtexte sind bei dir auf Deutsch verfasst, obwohl nicht eben wenige deiner einheimischen Kollegen die Auffassung vertreten, angloamerikanisch geprägte Musik ginge nur mit englischen Songtexten.
Ich wüsste nicht, in welcher Sprache ich sonst schreiben sollte, außer in der Sprache, in der ich denke, spreche, träume. Vielleicht wäre es Französisch geworden, zu der Zeit, als ich kurz in Frankreich gelebt habe. Aber im Französischen fehlt es mir an Wortschatz. Die Sprache ist ein Werkzeug. Ich kann nur die Sprache anwenden, die ich beherrsche. Ich stelle auch gewisse Ansprüche an meine Songtexte. Auf Englisch kannst du fünf Minuten nichts anderes als "don't leave me baby" singen, und es klingt cool. Versuch' das auf Deutsch! Nur auf Deutsch kann ich Texte schreiben, bei denen ich den Eindruck habe, das hat was. Das ist vielschichtig und kommt mit einem breiten Grinsen daher. Dorthin musste ich mich auch erst entwickeln. Meine ersten Songs sind Protestsongs gewesen. "Atomkraft ist Scheiße", "Nazis sind Scheiße", sowas eben. Irgendwann erschöpft sich das. Wenn du weitermachen willst, musst du dir was einfallen lassen. Ich will niemanden agitieren, aber in den Herzen und Köpfen etwas bewegen. Das reizt mich.
Dir zum Trost, deine Texte sind vielschichtig, humorvoll und beziehen klar Position. "Herr Lehmann" vom ersten quasiregulären Album "Krautblues" zum Beispiel.
Eine Standortbestimmung, ja. Aber nicht schwarzweiß. Wie gesagt, darum geht es, den trägen Deutschen mental Beine zu machen.
Den trägen Dresdnern insbesondere sicherlich.
Denen auch.
Du bist gebürtiger Dresdner?
Ja, bin ich.
Und was denkst du?
Was soll ich sagen, ich finde Dresden und Sachsen wunderbar. Die Landschaft, herrlich. Über das Verhalten der Leute kann man sich manchmal nur wundern.
Würdest du weniger gesellschaftskritisch schreiben, wenn du in einer anderen Stadt zu Hause wärst?
Nein, vermutlich würde ich nur andere Themen wählen. Das lustige an "Herr Lehmann" ist, dass das entstand, lange bevor der Pegida-Vulkan ausbrach und jeder sich wunderte, wo das herkommt. Der Song stammt aus meiner Zeit in dem besetzten Haus, wo Linke und Punks lebten. Rassismus und Neonazis sind ständig Thema gewesen. Wir haben überall Rassisten und Nazis gesehen, was das andere Extrem war. Von daher aber hat mich gar nichts gewundert. Die Leute hatten bloß noch kein Internet, um sich zum Spazierengehen zu verabreden. Dann kam Pegida, und dieser Song wurde wichtig. Heute kommt es vor, dass uns krummgenommen wird, wenn wir "Herr Lehmann" nicht spielen.
Auf "Der Blues ist tot" heißt ein Songs "Linksversifft". Für dich scheint das Schimpfwort von Rechtsaußen ein Gütesiegel zu sein.
Ich wollte Begriffe, die ich persönlich gar nicht als Beleidigung empfinde, zu einer Hymne verarbeiten für alle, die sich als Gutmenschen, Veganer oder eben linksversifft anmeckern lassen müssen. Obwohl sie keinem was tun, sondern bloß für sich etwas ändern wollen. Warum tätowieren wir uns die Schimpfworte nicht auf die Stirn? Jeder soll doch leben, wie er mag. Man kommt dann natürlich schnell zu dem Punkt, dass irgendwie Miete gezahlt werden muss. Aber erstmal würde ich sagen, hey, lasst es uns doch schön machen.
Lasst es uns schön machen, ist das sowas wie ein Lebensmotto von dir?
Darum geht es doch, glücklich zu sein, es schön zu haben. Das meinte ich vorhin mit dem Leben auf der Straße. Es hat mir gezeigt, was man wirklich braucht. Man kommt mit wenig aus und muss nicht irgendwelchen Götzen hinterherrennen.
Bernd Gürtler SAX 3/19
Andi Valandi & Band: "Krautblues" (No Label; 2017)
Andi Valandi & Band: "Der Blues ist tot" (No Label; 2018)