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Jad Fair & Half Japanese: Die Band, die Anspruch auf die Krone hätte

Symbolträchtiger konnte das Albumcover kaum sein. Vorn auf "The Band That Would Be King" zwei Boxchampions im Ring. Der, der im nächsten Moment durch einen Kinnhaken zu Boden gehen wird, zeigt die Gesichtszüge von Elvis Presley. Der andere, der den King Of Rock'n'Roll souverän niederstreckt, ist zweifelsfrei Jad Fair, Sänger und Gitarrist der Half Japanese. Gemeinsam mit seinem Bruder David gründete er Mitte der siebziger Jahre jene Band, die den angloamerikanischen Rock ordentlich aufmischen sollte.

Zwar hatte der Punk eingängige Songformen und knackige Gitarrenriffs gerade erst wieder salonfähig gemacht, darüber hinaus eine DIY-Philosophie etabliert soweit das die Schallplattenproduktion, deren Veröffentlichung und Vertrieb betraf. Was einer neuen Andersartigkeit den Weg bereitete, gar keine Frage. Jedoch Kinderkram war gegen die Half Japanese, die den DIY-Gedanken kurzerhand auf die Musik selbst übertrugen. Von den viel beschworenen drei Akkorden benötigten sie keine zwei, genaugenommen sogar weniger als einen. Ihrer No-Chord-Ästhetik entsprechend spielte Jad Fair seine Gitarre in der Regel ungestimmt und verzichtete bei Konzertauftritten oft darauf, sein elektrisches Instrument an einen Verstärker anzuschließen. Das sei seine Gitarre, damit könne er tun und lassen was ihm beliebt, lautete sein Standardkommentar.

Leidenschaft und Originalität standen hoch im Kurs, virtuoses Handwerk weniger. Logisch, dass sich der etablierte Musikbetrieb eher reserviert gab. Umso mehr sind diejenigen begeistert gewesen, die es auch versuchen und überhaupt erst fußfassen wollten. Unter anderem Kurt Cobain (Nirvana), Lee Ranaldo (Sonic Youth), Peter Buck (R.E.M.) und Norman Blake (Teenage Fanclub) nennen die Half Japanese als wichtigen Einfluss.

Ihr Schallplattendebüt gab die Band 1978 mit "Calling All Girls", einer EP, deren Erstpressung heute ein gesuchtes Sammlerstück ist. Gefolgt 1980 vom ersten Album "Half Gentlemen/ Not Beasts". 1989 erscheint "The Band That Would Be King", mit Gastauftritten der Seelenverwandten Don Fleming (Velvet Monkeys, B.A.L.L., Gumball), Kramer (Shockabilly, Gumball, Shimmy Disc) Fred Frith und John Zorn; Daniel Johnston ist in Gestalt zweier Coverversionen vertreten. Nach "Hello" von 2001 werden die Half Japanese vorerst zur Ruhe gebettet. Jad Fair realisiert diverse Soloprojekte und widmet sich der Kunst des Scherenschnitts. Ursprünglich ein Zeitvertreib für die Wegstrecken von einem Auftrittsort zum nächsten und schon länger zur Covergestaltung herangezogen, bestreitet er mit seinen Papierkreationen Anfang der Nullerjahre Ausstellungen in New York und Berlin.

Seit 2014 erscheinen mehr oder weniger regelmäßig neue Alben, "Invincible" (Fire) vom Februar 2019 heißt das jüngste. Die Musik ist professioneller, keineswegs konventioneller geworden. Mit durchdringender Bubenstimme trägt Jad Fair wie gehabt Liebeslieder und Vampir-Geschichten vor. Ein Großteil des Backkatalogs wurde jeweils zu drei Alben in den CD/Vinyl-Boxsets "Half Japanese Volume One/Two/Three/Four" (Fire) zusammengefasst. Ein Schatz, den es zu entdecken gilt. Das hörend, dürfte schwerlich zu leugnen sein, dass die Half Japanese durchaus Anspruch auf die Krone hätten. Genauso essentiell ihre Leistung wie Elvis Presleys Debütsingle "That's Alright"/"Blue Moon Of Kentucky" vom Juli 1954 und einiges von den Scheiben danach. Wofür ihm die amerikanische Entertainmentzeitschrift Variety bereits 1956 den Ehrentitel King Of Rock'n'Roll verlieh.
Bernd Gürtler/TM
 


Half Japanese: "Invincible" (Fire; 22.2. 2019)


Half Japanese: "Volume One 1981-1985" (Fire; 28.4.2014)
Half Japanese: "Volume Two 1987-1989" (Fire; 26.1.2015)
Half Japanese: "Volume Three 1990-1995" (Fire; 18.4.2015)
Half Japanese: "Volume Four 1997 -2001" (Fire; 16.4.2016)


Half Japanese im Netz
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Foto: Fire Records

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