Eigentlich sind sie zu viert, den Interviewtermin aber bestreiten er und Sänger Maik Wieden, der auch einen Großteil der Songtexte verfasst und selbstverständlich seine eigene Verbindung herstellt. "Das Interessante ist das Feedbacksammeln, wenn Menschen auf dich zukommen und dich wegen des Bandnamens ansprechen. Dass der negativ besetzt wäre. Oh Gott, Die Arbeit, wie könnt ihr euch so nennen! Furchtbar! Die meisten müssen an einen Bereich ihrer Lebenswelt denken, der ihnen keine Freude bereitet. Ich für mich würde den Begriff, der zweifellos mit schlimmster Ausbeutung verknüpft war und ist, gern neu beleben".
Gemäß David Bowie, von dem das wunderhübsche Bonmot überliefert ist, er brauche keinen Urlaub, er erhole sich bei der Arbeit. Bei Die Arbeit würden sie das sofort unterschreiben, bei ihnen ist alles Arbeit, bezogen auf das Musikmachen ein fließender Arbeitsprozess. Jeder trägt bei, vieles entsteht aus Jamsessions, selbst Maik Wiedens Songtexte erhalten im Kollektiv ihren letzten Schliff.
Die interne Bandchemie sorgt nicht etwa für perfekte Harmonie und eitel Sonnenschein, sondern dafür, dass ein produktiver Ausgleich stattfindet, der am Ende jeden berücksichtigt. Eine Gelassenheit zweifellos, die nicht von Ungefähr kommt. Neulinge sind sie nämlich alle nicht. Benjamin Rottluff war unter anderem Mitstreiter des zeitweise in Dresden lebenden USA-Emigranten Reuben Matthews bei der gemeinsamen Duoformation Egyptian Cosmonaut. Maik Wieden sang "ganz früher" bei sich zu Hause im brandenburgischen Ortrand in einer Punkband, was "seinen Ursprung hatte in einer gewissen Opposition, die es damals gebraucht hat im ländlichen Raum. Ende der Neunziger hatten wir ein massives Neonaziproblem."
Gemeinsam gründeten Benjamin Rottluff und Maik Wieden 2012 Leo Hört Rauschen und 2018 schließlich Die Arbeit. Für ihr im Februar 2020 veröffentlichtes Debütalbum "Material" (Undressed Records) fand sich als Verlagspartner Freibank, eine Unternehmung von Mark Chung und Klaus Maeck aus dem Dunstkreis der Einstürzenden Neubauten. Der Backsteinziegel auf dem Frontcover von "Material" ist kein reines Gestaltungselement. Im Rahmen einer Übergangsmaßnahme der Arbeitsagentur wurde Benjamin Rottluff mit dem Maurerhandwerk vertraut gemacht. Und Klubbetreiber aufgepasst, anstatt eines schnöden Aufklebers, hinterlassen Die Arbeit einen Ziegelstein an den Wänden im Backstagebereich. "Wir sind inzwischen Experten in Sachen Kleber. Es war gar nicht so einfach, einen zu finden, mit dem sich Ziegelsteine waagerecht an die Wand kleben lassen", verrät Benjamin Rottluff.
Bernd Gürtler SAX 2/20
Die Arbeit
"Material"
(Undressed Records; 21.2.2020)
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