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Born To Be Wild: Steppenwolf im Dokumentarfilmporträt

Unbedingt, ein monumentaler Gassenhauer! Mitte 1968 in die Welt gebracht, zieht "Born To Be Wild" dermaßen unbeirrt seine Bahn, dass es die Band dahinter fast wie ein One Hit Wonder aussehen lässt. Was schon rein numerisch kaum zutrifft, weitere Hitsongs ähnlicher Langzeitwirkung sollten folgen, und unzutreffend die Einschätzung auch deshalb, weil es sich bei den Protagonisten um Menschen aus Fleisch und Blut handelt, mit ungewöhnlichen Biographien obendrein. Das Dokumentarfilmporträt "Born To Be Wild – Eine Band namens Steppenwolf" von Regisseur Oliver Schwehm erzählt ihre Geschichte so lebendig wie kenntnisreich.

Steppenwolfs Sänger John Kaye wird in Ostpreußen als Joachim Fritz Krauledat geboren, wenige Wochen nachdem sein Vater im Zweiten Weltkrieg gefallen war. Mutter und Sohn bringen sich vor der heranrückenden Roten Armee in Sicherheit, stranden im Thüringischen Arnstadt, fliehen von dort 1949 nach Hannover und emigrieren weitere neun Jahre später nach Kanada. John Kay findet dort Anschluss an die Bluesrockcombo The Sparrows von Nick St. Nicholas, bürgerlich Klaus Karl Kassbaum und Sohn eines hoch dekorierten, schleswig-holsteinischen Kriegsmarineoffiziers, anlässlich eines Truppenbesuchs sogar an der Seite des GröFaz abgelichtet; Dennis Edmonton, der Gitarrist der Sparrows, wird später unter dem Pseudonym Mars Bonfire "Born To Be Wild" schreiben.

1967 verlegt die Band ihre Operationsbasis ins kalifornische Los Angeles, benennt sich um in Steppenwolf, angelehnt an Hermann Hesses gleichnamigen Roman, ohne das Buch auch nur ansatzweise gekannt zu haben. Und entwickelt an der Schnittstelle zwischen Beatles und Rolling Stones einen ähnlich eingängigen, jedoch deutlich derberen Rocksound, der das Los Angeles der glorreichen Sixties aus Bikerurigkeit, Prostitution und Drogensumpf perfekt zum Klingen bringt, auf jeden Fall aber ein völliges Kontrastprogramm zum seinerzeit in den USA angesagten Bubblegumpop fährt.

Gekonnt verbindet Oliver Schwehms Dokumentarstreifen historische Bewegtbilder zumeist aus privaten Schmalfilmarchiven, historisches Fotomaterial und aktuelle Interviews mit einstigen Bandmitgliedern beziehungsweise Zeitzeugen. John Kay, Nick St. Nicholas und Dennis Edmonton kommen ausführlich zu Wort. Alice Cooper gibt zu Protokoll, dass sich "Born To Be Wild" anfangs auch im Repertoire seiner Band befand. Klaus Meine von den Scorpions verrät, John Key sei Ansporn gewesen, es ebenfalls im angloamerikanischen Sprachraum schaffen zu wollen. Jello Biafra und Dale Crover erzählen, wie ihre eigenen Dead Kennedys beziehungsweise Melvins von Steppenwolf beeinflusst wurden.

Erkenntnismomente sind, wenn daran erinnert wird, wie viel an Popularität "Born To Be Wild" auch dem Roadmovie "Easy Ryder" verdankt. Oder dass sich die Urgewalt des Songs, dessen Songtext nicht von Ungefähr den Begriff "Heavy Metal Thunder" ins Spiel bringt, erst im Autokino vermittelte, wegen der besseren Beschallungssysteme amerikanischer Open-Air-Lichtspielstätten. Herzerwärmend wird es, wenn John Kay als ergrauter Rockritter in die Kirche von Arnstadt zurückkehrt und das erste Mal in seinem Leben in seiner deutschen Muttersprache ein deutsches Volkslied singt. Unter den Konzertbesuchern gar mancher im Steppenwolf-T-Shirt, der vor Rührung einen Kloß im Hals verdrücken muss. Wer nach den einhundert Filmminuten den Kinosaal nicht bestens unterhalten und populärmusikalische erleuchtet verlässt, selber schuld.
Bernd Gürtler/TM


"Born To Be Wild – Eine Band namens Steppenwolf"
Deutschland/Kanada; Kinostart 4.7.24
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Termine
02.07.24 München; Filmfest Weltpremiere
03.07.24 München, HFF Audimax
04.07.24 München, Westpark Mond & Sterne

Kinotour Oliver Schwehm & Nick St. Nicholas
06.07.24 Heidelberg, Gloria Kino (16 Uhr)
07.07.24 Alzey, Bali Kino (11 Uhr)
07.07.24 Bochum, Metropolis (18 Uhr)
07.07.24 Bochum, Metropolis (20.30 Uhr)
08.07.24 Bremerhaven, Koks (18 Uhr)
08.07.24 Hamburg, Zeise (22.15 Uhr)
08.07.24 Hamburg, Open-Air Kino Altona (23.15 Uhr)
09.07.24 Plön, Astra Filmtheater (18 Uhr)
 

 

Foto: Didi Zill/MFA+
Foto: MFA+
Foto: Dustin Rabin

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