Der Titelsong zu "Mushroom Cloud" verarbeitet die Herausforderungen der Coronapandemie. Eine schwierige Zeit damals auch für dich.
Es fühlte sich an als stürze die Welt ein. Lockdowns wurden ausgerufen, ohne, dass absehbar war, über welche Zeiträume sich die Einschränkungen erstrecken sollten. Bei mir ging eine langjährige Beziehung in die Brüche. Ich hatte drei Wochen am Stück mit Auftritten vor mir, die ich komplett abschreiben konnte. Mein gesamtes, zu erwartendes Einkommen war futsch. Der Song entstand zu Beginn der Pandemie und will sagen, dass es mir vorkam als sei eine Atombombe eingeschlagen.
Der einzige Grund, weshalb "Mushroom Cloud" und ein Großteil der übrigen Songs des Albums nicht in tiefste Depressionen stürzen lässt, sind die wunderbaren Arrangements. Wie viel Energie verwendest du aufs Arrangieren, auf die Produktion?
Sehr viel Energie, jedenfalls diesmal. Bei meinen ersten beiden Alben "Second Life" und "You Should Go Mad" spielte ich die Instrumente, die ich selbst spielen konnte. Gastmusiker wurden nur für ausgewählte Parts hinzugezogen. Bei "Mushroom Cloud" stand mir dauerhaft eine fünfköpfige Band zur Verfügung. Mental befand ich mich an einem düsteren Ort, gemeinsam berieten wir, ob wir die Düsternis des jeweiligen Songs verstärken oder unseren Spaß haben sollten. Stellenweise funkelt ein gewisser Humor. Eher ungeeignet das Album an trüben Tagen. Wer sich gut fühlt, wird sich beflügelt vorkommen.
Worum geht es in "Conman"?
Das entstand parallel zur Coronapandemie, im Hinterkopf noch Donald Trumps "America First". Menschen springen auf solche nationalistischen Narrative an, wenn ihnen die ungemütliche Wirklichkeit zu sehr auf die Pelle rückt, auch der Letzte erkennt, dass keiner von uns auf irgendetwas hoffen darf.
"Haunted" bezieht sich auf den britischen Philosophen und Kulturtheoretiker Mark Fisher. Welches seiner Bücher findest du am spannendsten?
"Ghosts Of My Life: Writings On Depression, Hauntology And Lost Futures". Genauso interessant auch die anderen beiden, "Capitalist Realism: Is there no alternative?" sowie "The Weird And The Eerie".
Mark Fisher war der Überzeugung, dass der Neokapitalismus verantwortlich sei für Prekarisierung, für Vereinzelung, Stress, Angst, Depressionen, die gesamte Palette psychischer Erkrankungen.
Vermutlich hat er Recht. Neulich traf ich eine Ostberlinerin. Sie meinte, die Einschränkungen in der DDR seien schrecklich gewesen. Aber im Kapitalismus steht der Mensch ständig unter Druck. Mark Fisher sagt in Bezug auf Populärmusik, dass der ökonomische Druck die Kreativität vernichtet. Ich denke das auch, aber was ist die Alternative?
Bernd Gürtler/TM
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