|   Rezension

Valerie June

The Moon And Stars: Prescriptions For Dreamers

(Concord)

Unterliegt keinerlei Verschreibungspflicht, das Album ein gewissermaßen freiverkäuflicher Pflanzenextrakt. Zu Risiken und Nebenwirkungen ist nichts bekannt. Mitgeteilt wurde lediglich, dass die Bereitstellung eines Seelenbalsams beabsichtigt war, gedacht für geschundene Menschenwesen, denen die Fähigkeit zu träumen abhandenkam. Weshalb ausgerechnet Valerie June als Heilmittelbeauftragte infrage kommt, liegt auf der Hand. Mit ihrem orakelhaften Gesang und der beeindruckenden Dreadlockfrisur rückt sie sich in die Näher einer afrikanischen Schamanin.

Afrikanischen Ursprungs auch die Spruchweisheit "Only a fool tests the depth of the water with both feet", vorgetragen von Carla Thomas, einer seit Ewigkeiten aus dem Rampenlicht verschwundenen Veteranin des Southern Soul wie er von Stax Records in Memphis, Tennessee geprägt wurde. Die Blechbläserfacetten des nachfolgenden "Call Me A Fool" rekapitulieren den Stax-Sound fulminant. Die Streicherarrangements stammen bei diesem wie anderen Songs von Lester Snell, der unter anderem für Isaac Hayes und Mavis Staples tätig war.

Geboren wird Valerie June nordöstlich von Memphis, in Humboldt, unweit von Jackson, Tennessee, Home Of Sonnyboy Williamson I, Carl Perkins oder W.S. Holland. Aufgewachsen ist sie sowohl mit konfessionellem Gospel als auch weltlicher Populärmusik. Dank ihres Vaters, der im Hauptberuf Bauarbeiter war und nach Feierabend als Konzertimpresario Bobby Womack oder Prince veranstaltete. Eine frühe Jugendliebe, erzählte die Künstlerin 2012 bei einer Interviewverabredung in Berlin, war mit der ungarischen Elektroszene in Budapest verbandelt. Spurenelemente davon finden sich in der zweiten Hälfte von "The Moon And Stars: Prescriptions For Dreamers", wenn die Protagonistin des Albums, gebeutelt von grenzenlosem Liebeskummer, den Trennungsschmerz überwindet und das Wagnis einer neuen Beziehung einzugehen bereit ist. Bei "Home Inside" kurz vor Schluss dann die Erkenntnis, dass kein Partner dieser Welt das ersehnte Glück bescheren kann, wenn das Glück nicht sowieso bei einem selbst zuhause ist. Und Träume sind unerlässlich, denn ohne Träume, wird Valerie June von der britischen Tageszeitung The Guardian zitiert, wie wären wir noch in der Lage "(to) continue the cycle of trying to create a world where we’re all living as one?" Kommt irgendwie bekannt vor, richtig! "You may say I'm a dreamer/But I'm not the only one/I hope someday you'll join us/And the world will be one" heißt es bei John Lennon.
BG/TM


Valerie June
"The Moon And Stars: Prescriptions For Dreamers"
(Concord; 12.3.2021)


Valerie June im Netz
Website | Facebook | Instagram | Twitter | Spotify | Apple | Bandcamp

 

Foto: Renata Raksha

neue Beiträge