|   Rezension

Saigon Soul Revival

Môi Luong Duyên

(Saigon Supersound)

Das, was den Reiz von Saigon Soul Revival ausmacht, liegt in einem wegen ideologischer Vorbehalte beinahe aus dem Bewusstsein getilgten Kapitel der Populärmusikgeschichte verborgen. Beat, Rock und Soul fanden sich sofort auch in Südvietnams Hauptstadt Saigon adaptiert. Nicht für die ab Mitte der sechziger Jahre in einem sinnlosen Krieg verheizten US-Soldaten sondern den einheimischen Markt, der nach dem Sieg des sozialistischen Nordens über den Süden ins Fadenkreuz der neuen Kulturpolitik geriet.

Gar keine Frage, die betreffende Populärmusik Südvietnams wurde propagandistisch gegen den Norden eingesetzt, kritisch beleuchtet aber auch der Süden. Dennoch, Aufnahmestudios und Spielstätten mussten nach 1975 schließen. Ein Großteil der stilprägenden Musiker, einige von ihnen echte Berühmtheiten, verließen das Land Richtung Vereinigte Staaten, Australien, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland. Wer blieb, landete unter Umständen im Umerziehungslager. Ohne Enthusiasten wie den Musikproduzenten Jan Hagenkötter aus Frankfurt/Main, der bei Flohmarktbesuchen oder in Sammlerarchiven historische Schallplatteneinspielungen auftrieb und die Compilations "Saigon Supersound Volume 1-3" zusammenstellte, wer weiß, ob die Welt jemals von Kim Loan, Khánh Ly, Trinh Công Son, Hùng Cuong & Mai Lê Huyên oder Connie Kim erfahren hätte.

Saigon Soul Revival verweben den Sound von damals mit Dub Reggae, Rap, HipHop und traditionellen Volksmusikelementen. Nach "Hoa Am Xua" von 2019, ist "Môi Luong Duyên" das zweite Album des Quartetts aus Ho-Chi-Minh-City, wie Saigon heute heißt. Die Songtexte, hingebungsvoll vorgetragen von Sängerin Nguyên Anh Minh, verhandeln ebenfalls nach historischem Vorbild Beziehungskram und Liebesdinge. Wer der Sprache mächtig ist, konnte sich früher seinen Teil denken und kann es vermutlich auch heute.
Bernd Gürtler/TM


Saigon Soul Revival
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Môi Luong Duyên
(Saigon Supersound; 10.5.24)


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Foto: Saigon Supersound

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