04.03.2024 | Rezension

Ferris & Sylvester

Otherness

(Archtop Records)

Eher unbrauchbar der gern bemühte Vergleich mit Simon & Garfunkel. Sicherlich harmonieren die Gesangsstimmen mindestens ebenso prächtig, aber im Unterschied zu den New Yorker Duovorreitern ist Teamwork angesagt. Die Songs schreiben beide gemeinsam, beide hatten zuvor jeder für sich eine Karriere, Issy Ferris als Solosängerin zur Akustikgitarre, Archie Sylvester mit seiner Bluesband. 2016 fiel der Entschluss, die Kräfte zu bündeln. Nach drei EPs, zwei 12"-Vinyls und dem Debütalbum "Superhuman" soll es jetzt endlich jenseits der Heimatscholle Großbritannien klappen. Die Chancen stehen nicht schlecht.

Bislang werden Interviewtermine vorrangig zum Debattieren musikantischen Handwerks genutzt. Wenig überraschend eigentlich. Ferris & Sylvester variieren gekonnt klassisches angloamerikanisches Stilerbgut aus den Schallplattensammlungen der Eltern, als persönliche Orientierungsgrößen werden Bob Dylan, Jimi Hendrix, Joni Mitchell oder Johnny Cash genannt. Rundum kompetent auch die produktionsseitige Betreuung, neuerdings durch Michael Rendall, der unter anderem Peter Murphy, The Jesus & Mary Chaine oder The Orb klangtechnisch gut aussehen ließ. Fast entsteht der Eindruck als ginge es mehr um Formen als irgendwelche Inhalte.

Anlässlich eines Studiokonzerts für die BBC jedoch, fand sich "Waterloo Sunset" von The Kinks auf ihrer Setlist und außerhalb der unsäglichen Fernsehcastingshows bedeutet es noch etwas, wer welches Repertoire covert. Mit etwas Phantasie findet der Song eine Fortsetzung in Ferris & Sylvesters "London's Blues". Terry und Izzy, das Liebespaar aus "Waterloo Sunset", angelehnt wohl an eine heimliche Romanze zwischen den Schauspielern Terence Stamp und Julie Christie, erleben in "London's Blues" eine unrühmliche Wiederkehr als Provinzschnösel, die in der britischen Kapitale auf nichts anderes als Erfolg aus sind, skrupellos und unbarmherzig gegenüber anderen und sich selbst. Die erste Vorabauskopplung aus "Otherness" hieß "Mother" und lässt eine Tochter zu Wort kommen, die ihre Mutter beschwört, gemeinsam den gewalttätigen Vater zu verlassen. "End Of The World" scheint als Soundtrack zum Albumfrontcover gedacht, wo ein glutroter Himmelskörper die Swimmingpoolidylle bedroht. Ein überaus professionell gemachtes Album, das sowohl vertraut als auch erfrischend zeitgemäß wirkt und sich nicht unbeeindruckt zeigt von dem, was draußen vor der Haustür vor sich geht.
Bernd Gürtler/TM

Ferris & Sylvester
"Otherness"
(Archtop; 1.3.24)