|   Rezension

Lael Neale

Acquainted With Night

(SubPop)

Offizielle Pressefotos zum Album zeigen eine junge Frau von fragiler Statur, die im Albumtitel kundtut, dass sie bestens vertraut ist mit der Nacht. Was sich umgehend als bezogen auf die Dunkelheit jener Tageszeit erschließt, wenn die Künstlerin zu karger Instrumentierung Textzeilen vorträgt wie "I'm a white coat mistake waiting in the drugstore window"; siehe "Third Floor Window". Der ideale Soundtrack zu Lockdowns und Social Distancing der Coronapandemie? Ein sinnvoller Verwendungszweck, durchaus. Der gebürtigen Amerikanerin geht es aber noch um etwas anderes.

Die vorerst leider dürftige Faktenlage besagt immerhin, dass Lael Neale zehn Jahre in Los Angeles lebte, bevor sie zu den familiären Wurzeln im ländlichen Virginia zurückkehrte, um ihr jüngstes Album fertigzustellen. Aus dem Presseinfo des Schallplattenlabels geht weiterhin hervor, dass ihr das Songschreiben vor allem wegen der Songpoesie am Herzen liegt. Sie begreift Poesie als Destillat, und der "most maddening and, ultimately, rewarding part" sei, "to winnow away what is unessential".

Bei den Arrangements wird inzwischen ähnlich verfahren. Im Unterschied zum noch traditionell singersongerwriterhaften Albumdebüt "I'll Be Your Man" aus dem Jahr 2015, beschränkt sich "Acquainted With Night" auf das Allernötigste. Hinterlegt mit einem räudigen Zischelsound, wirkt die Scheibe wie eingespielt auf einem schrottreifen Kassettenrecorder.

Den Weg zur gegenwärtigen Arbeitsweise ebnete ein der Zither nachempfundenes, elektronisches Musikinstrument japanischer Herkunft namens Omnichord, das Leal Neale zufällig entdeckte und das zuvor von Brian Eno, David Bowie oder Cindy Lauper eingesetzt wurde. Und ganz ohne Hoffnung sind die Songtexte bei näherer Betrachtung dann doch nicht. Tiefdunkle Nacht und die nächste Morgendämmerung liegen dicht beieinander wie Yin und Yang. Ähnlich dem wahren Leben mehr oder weniger.
BG/TM


Lael Neale
"Acquainted With Night"
(SubPop; 19.2.2021)


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Foto: Guy Blakeslee

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