Wenn er ans Telefon gegangen wäre als Kurt Cobain an jenem verhängnisvollen Apriltag 1994 bei ihm anrief, hätte sich der Selbstmord dann verhindern lassen? Mark Lanegan fragt sich das bis heute und ist nach wie vor erstaunt, dass es Courtney Love war, die ihm seinen Drogenentzug sponserte.
Wer "Straight Songs Of Sorrow" nach konkreten Hinweisen auf Themenschwerpunkte wie diesen durchsucht, wird früher oder später feststellen, dass es zwecklos ist. Wenn überhaupt, dann ist das Album anders autobiographisch als die Autobiographie. Eher allgemeiner gefasst eine Düsternis, die über seiner gesamten, bisherigen Erdenexistenz zu liegen scheint. Häufig kreisen die Songs um Vergänglichkeit und Tod. Oder verkünden seine Erleichterung, dass es ihm bislang nicht vergönnt war sich fortzupflanzen; "No heirs to my disease/No one to cure with this gene" heißt es im Eröffnungssong "I Wouldn't Want To Say".
Nicht wirklich neu das alles und dennoch erwähnenswert, weil seine Autobiographie in Kooperation mit Bestsellerautor Mishka Shubaly verfasst wurde und jetzt seine Songs eine literarische Anmutung ausstrahlen. Der Grungerock, der Akustikfolk, die Discoklänge und Elektroniksounds, sämtliche Stilformen, die Mark Lanegan sich über die Jahre angeeignet hat, dienen auf "Straight Songs Of Sorrow" eher als Gestaltungselement, im Vordergrund stehen die Songtexte und ihr Vortrag. Spätestens bei "Internal Hourglass Discussion" mit seinen zwingenden Drumcomputerbeats und synthetischen Keyboardmelodien wird einem das bewusst. Ein bemerkenswerter Qualitätssprung. Mal schauen, womit der sangesfreudige Schattenmann als nächstes überrascht.
BG/TM
Mark Lanegan
"Straight Songs Of Sorrow"
(PIAS; 8.5.2020)
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