Zu Kraftwerks Vorreiterrolle in Sachen Krautrock, Elektropop, HipHop oder Techno, lässt sich vieles sagen. Ein ebenso beredtes Zeugnis ihrer immensen Bedeutung, liefern die aufgelaufenen Coverversionen. Deren schiere Unzahl vergleichbar höchstens mit den Coversongs der Beatles, was insofern passt, da Kraftwerk als die Beatles der Elektronikmusik gelten. Unter den Ersten, die Kraftwerk als Coverstoff für sich entdecken, war Steve Albini. Mit seiner Formation Big Black interpretiert er "The Model", die Einspielung zugleich ein Hinweis, dass es der Amerikaner nicht bei Hardcore belassen wollte, sondern neben den Grungeikonen Nirvana dereinst PJ Harvey oder die Harfenistin Joanna Newsom produzieren würde.
Ebenfalls beizeiten aus den Startlöchern kamen Siouxsie & The Banshees, die "Spiegelsaal" für ihr Album "Through The Looking Glass" covern. Das Balanescu Quartet konnte mit reichlich der ersten Hälfte seines Langspielers "Possessed" überzeugend darlegen, wie gut sich Kraftwerk auf Streicherensembles übertragen lassen. Señor Coconut, das Bühnenalterego des Elektronikers Uwe Schmidt aus Frankfurt/Main, wendet die Musik mit "El Baile Alemán" ins Comedyhafte. Aber jeder einzelne von ihnen lediglich Vorbote der regelrechten Coverschwemme heute. Es gibt Kraftwerk zur Hurdy Gurdy, auf dem Theremin, im Reggae-Gewand. Die Schüler einer ersten Klasse der Mainzer Grundschule Am Lämmchen bastelten sich für ihre Version von "Die Roboter" gleich die entsprechenden Kostüme. Echt witzige Idee!
Wer nach wie vor auf neue Musik von Kraftwerk hofft, wartet weiter vergeblich. Der Zeit voraus bleibt die Band trotzdem. Eine Bühnenshow in 3D gehört mittlerweile zum Standard. Angeregt durch ihre retrospektive Konzertreihe im New Yorker Museum Of Modern Art, entdecken auch Museen anderswo Rockkultur als ernstzunehmenden Ausstellungsgegenstand; das Londoner Victoria & Albert Museum geht mit einer Schau zu David Bowie mutig voran, vermerkt die überaus lesenswerte Buchpublikation "Kraftwerk: Future Music From Germany" von Uwe Schütte. Weiterhin ebendort angemerkt ein Detail von nunmehr überraschender Relevanz, nämlich dass Kraftwerk in der Tradition des Gesamtkunstwerks zu sehen sind. Maßgeblich mitgeprägt der Begriff durch Richard Wagner, dessen Wirkungsstätte ab 1842 die Semperoper war, bis er keine fünf Jahre später wegen seiner Unterstützung der Maiaufstände die Flucht ergreifen musste. Nicht von ungefähr gewählt der Theaterplatz vor der Semperoper als Dresdner Auftrittsort? Wer weiß.
Bernd Gürtler/TM
Kraftwerk im Netz
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Konzerte
06.07.24 Wien, Schloss Schönbrunn
11.07.24 Montreux, Jazz Festival
20.07.24 Pori, Pori Jazz
27.07.24 Niigate, Fuji Rock
14.09.24 Dresden, Theaterplatz