Mit gegenseitigen Respektkundgebungen bedacht hatten sie sich schon länger, James Yorkston und das Second Hand Orchestra, die Supergroup um den Produzenten Karl-Jonas Winqvist und bestehend unter anderem aus Peter Morén von Peter, Bjorn & John, der allseits geschätzten Nyckelharpa-Virtuosin Cecilia Österholm sowie Emma Nordenstam und Ulrika Gyllenberg an Piano, Cello beziehungsweise Violine. War das Grundgerüst zu "The Route To The Harmonium" mehr oder weniger im Alleingang entstanden und erst nachträglich durch Gastbeiträge verfeinert worden, lief es mit dem Second Hand Orchestra auf eine kooperative Arbeitsweise hinaus, James Yorkston bestens vertraut aus seinen Anfangstagen im Dunstkreis des britischen Musikerbündnisses Fence Collective, dem die Populärmusikwelt außerdem King Creosote, die Beta Band, KT Tunstall oder The Pictish Trail verdankt.
Nicht die falscheste Entscheidung also, sich mit dem Secound Hand Orchestra zusammenzutun. "The Wide, Wide River", das erste der beiden Alben mit den Schweden vom Januar 2021, besticht durch packenden Folkrock europäischer Prägung und die Fähigkeit, in Songs teils epischer Länge eine elektrisierende Spannung aufrecht zu erhalten. Die britische und amerikanische Fachkritik jubelt aus gutem Grund.
Und an "The Great White Sea Eagle" vom Frühjahr 2023 begeistert die unbändige Spielfreude. Wie beim Vorgängeralbum sollten seine Mitstreiter ganz sie selbst sein, was sich nach der einfachsten Sache der Welt anhört und doch nur dann gelingt, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Man müsse, verrät James Yorkston während eines Interviewtermins im Berliner Büro seines Londoner Schallplattenlabels, "die Gewissheit vermitteln, dass nichts schiefgehen kann, Fehler nicht passieren. Auch wenn am Abend des Tages weniger rumkommt im Studio als sonst, egal. Wir müssen uns glücklich schätzen, dass wir unseren Lebensunterhalt mit Musikmachen bestreiten dürfen und das, was wir tun, mit dem gebührenden Ernst betreiben. Für meine Begriffe bedeutet Ernstnehmen, so offen wie möglich zu bleiben gegenüber der Musik, nicht nach Hitparadenerfolg zu schielen, auf nichts anderes aus zu sein als Wunderbares zu erschaffen; auch wenn sich das jetzt vielleicht etwas hippiesk anhört." Wohl wahr, ins Gesamtbild schiebt sich soeben Melanies "Beautiful People", das den Blumenkinderbesuchern des Woodstock Festivals huldigte. Aber die Ergebnisse sprechen eben für sich.
Nina Persson wollte sich die Songs, die ihr Karl-Jonas Winqvist zu "The Great White Sea Eagle" überstellen ließ, vorsichtshalber erst gar nicht anhören. "Ich war nervös", gesteht sie, weil sie fürchtete, sie würde die Songs hassen und hasst es, etwas "zu hassen, das ich mögen möchte." Vertraut mit James Yorkstons Backkatalog war sie nicht, weiß inzwischen aber, sie sollte es sein. Die kreative Atmosphäre während der Albumeinspielung habe sie genossen. Thematisch sind sowohl "The Wide, Wide River" als auch "The Great White Sea Eagle" nicht weit entfernt von dem, was James Yorkston sonst auch umtreibt. Im Fokus stehen häufig seine eigene Biographie, der Verlust enger Freunde, Tod, Trauer, Depression und im Titelsong zu "The Great White Sea Eagle" das Sterben einer Person, die für James Yorkston von solcher Wichtigkeit ist, dass er die Identität keinesfalls preisgeben wollte. Fühlt sich Nina Persson, die Schwedin, durch ihr Joint Venture mit dem schottischen Kollegen inspiriert, wieder eigene Songs zu schreiben? Nein, das sei nicht der Fall, verrät sie. Und zurückzukehren auf die Bühne am Ende sogar mit den Cardigans, steht auch nicht zur Debatte. "Ich mag es im Moment, Mutter zu sein." Bloß für James Yorkston macht sie eine Ausnahme und bestreitet mit ihm gemeinsam Tourtermine im Duo.
Bernd Gürtler SAX 10/23
James Yorkston
"The Great White Sea Eagle"
(Domino; 13.1.2023)
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