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(Sandy) Alex G: Yippiejaja-yippie-yippie-yeah

Selbst ist der Mann. Oder die Frau, je nachdem. Angloamerikanische Populärmusik jedenfalls verdankt dem Selbermachen wie es eine berühmte Baumarktwerbung propagiert, manchen ihrer spektakulärsten Momente. Spätestens seit dem Punkrock Mitte der siebziger Jahre und jetzt eben gerade wieder. (Sandy) Alex G heißt der Mann der Stunde. Einschlägige Medienkanäle feiern den Amerikaner euphorisch. Das Webmagazin Fader handelt ihn bereits als "once-in-a-generation-talent." Vom jüngsten Studioalbum "House Of Sugar" (Domino) wäre vermutlich sogar Brian Wilson schwer beeindruckt.

Noch nie war die praktische Anwendung des DIY-Gedankens einfacher in der Populärmusik. Ein MacBook und die Musiksoftware Garageband, mehr braucht es nicht mehr. (Sandy) Alex G, bürgerlich Alexander Giannascoli, noch keine dreißig und in Philadelphia zu Hause, entwarf mit solch einem eher primitiven Handwerkszeug Songminiaturen, die in ihrer Wunderlichkeit an die "Smile"-Sessions der Beach Boys denken lassen. Veröffentlicht wurde kurzerhand über die Webplattform Bandcamp, bis das auf Ungewöhnliches spezialisierte Londoner Schallplattenlabel Domino Records aufmerksam wurde. "House Of Sugar" ist das dritte Domino-Album und sein achtes insgesamt. Allerdings erfordert seine Art des Musikselbermachens ganz andere Musikertugenden als zu Zeiten des Punkrock oder noch in den Sechzigern. Dessen ist sich der Künstler bewusst, ergab ein Interviewtermin Ende Juni 2019 vor seinem Auftritt in der Tennis Bar von Berlin-Kreuzberg.

Wie bist du auf die Garageband-Software gestoßen?
Mit dreizehn, vierzehn als sich meine Eltern einen Apple-Computer zulegten. Garageband war dort vorinstalliert. Ich bin neugierig geworden, und als sich rausstellte wie einfach die Handhabung ist, konnte ich nicht mehr davon lassen.

Garageband hat mehrere Updates erlebt. Welche Version nutzt du?
Sechspunktnochwas, die aktuellste Version denke ich. Mein Laptop, auf dem sämtliche meiner früheren Alben entstanden sind, war kaputtgegangen. Die Version auf dem neuen Laptop hat mich fast in den Wahnsinn getrieben. Alles war anders als ich es kannte. Inzwischen bin ich vertraut damit und finde die neue Version weitaus komfortabler. Die Soundbearbeitung lässt viel mehr Möglichkeiten.

Verwendest du Standardeinstellungen oder sind das komplett eigene Soundkreationen?
Beides, ich verwende Standardsounds und experimentiere damit. Das phantastische an Garageband ist, dass keine externen Effektgeräte erforderlich sind, die zusätzlich gekauft werden müssen. Echo, Hall, Verzerrer, irgendwelche Pedale, alles inbegriffen. Wenn etwas verfremdet wirkt, dann Dank Garageband.

Gestartet bist du mit einer konventionellen Rockband. Weshalb der Wechsel an den Laptop?
Tatsächlich kam die Band zustande, nachdem ich zu Hause am Laptop begonnen hatte. Mein Freund Sam und ich, wir kennen uns seit wir elf, zwölf Jahre alt sind, beherrschen richtige Instrumente. Aber wir spielten Songs, die von mir auf dem Laptop entworfen wurden. Für mich selbst zu arbeiten, damit hat es angefangen. Dorthin bin ich zurückgekehrt. Und im Nachgang werden nach wie vor richtige Instrumente hinzugefügt.

Musik mehr oder weniger für sich am Laptop zu machen, das ist aber schon etwas anderes als bei den Sex Pistols, bei The Clash, erst recht ein Unterschied zu Allman Brothers oder Crosby, Stills, Nash & Young. Dort entstand Rockmusik aus der Interaktion innerhalb einer Gruppe. Ein himmelweiter Unterschied, und das hört man!
Richtig, in der Vergangenheit wurden eher soziale Kompetenzen benötigt. Die Mitglieder einer Band mussten sich zueinander in Beziehung setzen. Ideen wurden noch mal und noch mal durchprobiert. Man war gut beraten, sorgsam miteinander umzugehen. Ein mühevolles Ringen um Ergebnisse. Diesen Schritt überspringe ich. Aber es stimmt, der alten Form wohnt ein Funke inne, der mir fehlt. Wiederum erlaubt meine Art mehr Experimente, mehr komplexe Strukturen. Man gewinnt etwas, man verliert etwas.

Denkst du, dass deine Songtexte etwas mitteilen wollen?
Nein, eine Botschaft im eigentlichen Sinne gibt es nicht.

Möglicherweise gibt es doch eine. "Walk Away", der Eröffnungssong zum neuen Album enthält die Textzeile " Someday/I'm gonna walk away from you/Not today". In "Proud", einem deiner älteren Songs heißt es zuerst "I wanna be a star like you", später dann "I wanna be a fake like you". Darin formuliert sich jeweils ein gewisses Sowohlalsauch, was bedeuten könnte, dass es jemandem schwer fällt, Entscheidungen zu treffen. Was in die Zeit passen würde, angesichts des tagtäglichen Überangebots an Optionen.
Mag sein, trotzdem sind meine Songtexte eher gedacht, Atmosphäre zu schaffen. Mir ist jede Textinterpretation recht, dennoch sollen die Worte nur unterstreichen, was sich in der Musik ausdrückt.

Die erste Singleauskopplung aus dem neuen Album hieß "Gretel" und war an ein Video gekoppelt.
Ja, das zeigt mich und meine beiden Cousins. Wir besuchen ein Demolition Derby, wo Leute ihre Autos gegenseitig zu Schrott fahren. Das Fahrzeug, das als letztes noch fährt hat gewonnen.

Besteht irgendein Zusammenhang zwischen Video und Song?
Nein, ich sagte Regisseur Zev Magasis was ich mir vorstelle, und er schnitt das Material zusammen. Es geht rein um die Ästhetik. Man soll beim Hören das Aufeinanderkrachen der Autos sehen.

Ist dir zufälligerweise der Neil-Young-Song "Sugar Mountain" ein Begriff?
Sagt mir was, ja. Ich höre eine Menge Neil Young.

"Sugar Mountain" erzählt von Neil Youngs Kindheit. Der Zucker dient als Metapher für angenehme Kindheitserinnerungen. Du nennst dein neues Album "House Of Sugar". Heute allerdings gilt Zucker als die Verkörperung des Bösen schlechthin, als Synonym für extrem ungesunde Ernährung?!
Der leicht bedrohliche Unterton ist durchaus gewollt.
Bernd Gürtler/TM


(Sandy) Alex G
"House Of Sugar"
(Domino; 13.9.2019)


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Foto: Tonje Thilesen
Foto: Tonje Thilesen

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