|   Rezension

Angel Olsen

Whole New Mess

(Jagjaguwar/Cargo)

Die katholische Kirchgemeinde des Kleinstädtchens Anacortes an der nordamerikanischen Pazifikküste auf halber Wegstrecke zwischen Seattle und Vancouver, ließ vor über einhundert Jahren ein Gotteshaus errichten, das nach seinem Besitzerwechsel 2010 zum Recording Studio The Unknown umgebaut wurde. "Whole New Mess" ist dort entstanden. Neun der elf Songs dürften der Stammhörerschaft bekannt vorkommen, das Album enthält die Urfassung des im Herbst 2019 erschienenen "All Mirrors" und war von vornherein für eine nachträgliche Veröffentlichung vorgesehen. Angel Olsen wollte das so.

Ihr Publikum sollte zwei verschiedene Versionen derselben Geschichte zu hören bekommen. Beide Alben verarbeiten eine gescheiterte Beziehung, bei "All Mirrors" unter Zuhilfenahme von Orchesterarrangements und Elektropop hergerichtet zum opulenten Klangereignis.

"Whole New Mess" wiederum macht die Einsamkeit des Verlassenwordenseins mit Händen greifbar, wie es eine Sängerin allein auf sich und ihre elektrische Gitarre gestellt nur greifbar machen kann. Zwar lässt Angel Olsen keine Gelegenheit aus zu betonen, privat sei sie weder einsam noch das verpeilte Gör, für das ein Großteil ihrer Anhängerschaft sie hält. Dennoch sind spätestens seit "My Woman" die Verwerfungen ihres eigenen Seins eine wichtige Quelle der Inspiration. Häufig betrachtet vor dem Hintergrund einer signifikanten Kindheitsprägung. Die dreiunddreißigjährige Amerikanerin aus St. Louis, Missouri, ist bei Pflegeeltern aufgewachsen und, verriet sie der britischen Tageszeitung The Guardian, ihre Pflegemutter hätte es verstanden, "saying dark shit and then smiling".

Mit sechzehn zog Angel Olsen nach Chicago, wo sie von Will Oldham aka Bonnie 'Prince' Billy für dessen Coverbandprojekt The Babblers angeheuert wurde. Wegen ihres bemerkenswerten Gesangs, der eigen ist wie der Gesang von Nina Simone, Patsy Cline oder PJ Harvey eigen ist.
BG/TM


Angel Olsen
"Whole New Mess"
(Jagjaguwar; 28.8.2020)


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Foto: Angela Ricciardi

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