|   Rezension

Tricky

Fall To Pieces

(False Idols)

Er verweigert sich Zuschreibungen und Klischees, trägt Frauenkleider wenn nötig, lehnt es ab bei Fototerminen grimmig dreinzuschauen, weil das erwartet wird von einem, der aus Knowle West, dem Problemviertel der südwestenglischen Hafenmetropole Bristol stammt und lateinamerikanisch-karibische Vorfahren hat. Weder über Geschlecht noch Hautfarbe möchte er sich oder seine Musik definiert wissen. Ein Leitmotiv, das seiner Mitgliedschaft bei Massive Attack geschuldet sein dürfte. Die ihn zum Miterfinder des TripHop macht, eine Pioniertat solchen Ausmaßes strahlt aus auf benachbarte Bereiche.

Kompromissbereitschaft ist ein Wort, das seinem Vokabular frühzeitig abhandengekommen scheint. Soulelemente? Traditionelle Rockformeln? Nach wie vor Fehlanzeige. Stattdessen klappern die TripHop-Beats, und es wird gesampelt, was in die Quere kommt, egal ob osteuropäische Sangesweisen von kuriosen Folklore-CDs oder leibhaftige Studiogäste. Wer ihm zuarbeitet, läuft Gefahr, seine Beiträge später nicht wiederzuerkennen, zitiert ihn das Presseinfo des Schallplattenlabels. Den weiblichen Gesangspart, ganz zu Anfang von Martina Topley-Bird, der Mutter seiner Tochter Mina Mazy bewältigt, übernimmt aktuell Zufallsentdeckung Marta Złakowska aus dem polnischen Krakau. Mina Mazys tragischer Selbstmord im Mai 2019, ist das beherrschende Thema des Albums, das also nicht von ungefähr "Fall To Pieces" heißt.
Bernd Gürtler/TM


Tricky
"Fall To Pieces"
(False Idols; 4.9.2020)


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Foto: Tricky

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