Seinen Tonträgereinstand gab Michael Hurley 1964 mit "First Songs" bei Folkways Records in Washington D.C., wo Woody Guthrie, Pete Seeger oder Lead Belly eine Labelheimstatt fanden und die genreprägende "Anthology Of American Folk Music" erschienen war.
Meistenteils hinterlässt Michael Hurley den Eindruck eines Wiedergängers der freundlicheren Songfiguren jener Songkollektion aus der Zeit um die Weltwirtschaftskrise der Neunzehnhundertdreißigerjahre. Er genügt sich selbst, nimmt es wie es kommt, ist mehr ein Huckleberry Finn als Captain Ahab.
Eher unwahrscheinlich, dass irgendeiner seiner Songs brisante Gesellschaftsthemen aufgreift oder sorgsam gereimte Songtextzeilen in den Alltagssprachgebrauch eingeflossen wären. Auf "The Time Of The Foxgloves" singt er von "Lush Green Trees", "Beer Ale And Wine" oder "Blondes And Redheads". Das "Alabama" der Louvin Brothers huldigt den Naturschönheiten im besungenen US-Bundesstaat, der Albumtitel bezieht sich auf seine Lieblingsjahreszeit, wenn der Fingerhut blüht.
Nichts Besonderes eigentlich und gerade deshalb offenbar eine Inspiration für jüngere Künstlerkollegen. Cat Power coverte sein "Werewolf", Devendra Banhart veröffentliche auf seinem Schallplattenlabel Gnomesong Ende der Nullerjahre zwei vorzügliche neue Alben von Michael Hurley. Nach Lucinda Williams, Yo La Tengo, Violent Femmes und Will Oldham wollte sich auch Josephine Foster in die Schar namhafter Verehrer einreihen. Bei "Jacob's Ladder" von "The Time Of The Foxgloves" singt sie zweite Stimme.
Empfohlen als Anspieltipp sei "Boulevard". Wenn nach dem eher gewöhnlichen Intro der gezupfte Kontrabass einsteigt, nimmt der Song plötzlich Gestalt an. Ein magischer Moment, beseelte Sweet Folk Music! Das Albumcover ist selbstgemalt, seine bescheidene Künstlerexistenz bestreitet Michael Hurley aus Bilderverkäufen, nicht durch Musik.
BG/TM
Michael Hurley
"The Time Of The Foxgloves"
(No Quarter/Cargo; 10.12.2021)
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