|   Rezension

Josephine Foster

Godmother

(Fire)

Höchstens noch angedeutet im Eröffnungssong "Hum Menina" die schräge Sangesweise, die immerzu haarscharf an den Harmonien vorbeischrammt und augenblicklich ihre Fastnamensvetterin, die New Yorker Operndiva Florence Foster Jenkins ins Bewusstsein ruft. Stattdessen überrascht die Nina Hagen des amerikanischen Folksongs durch andere Extravaganzen. Unter anderem kombiniert sie akustische Folkgitarren mit Synthesizersounds. Das gab es zwar schon, geriet leider aber in Vergessenheit. Schade natürlich, weil damals wie heute eine sensationelle Instrumentenkonstellation.

1969 veröffentlicht Buffy Sainte-Marie ihr sechstes Studioalbum "Illuminations". Dort enthalten "God Is Alive, Magic Is Afoot", das auf Textpassagen aus Leonard Cohens Roman "Beautiful Losers" beruht und von einer Gerätschaft des Synthesizertüftlers Don Buchla Gebrauch macht. Bei nahezu jedem weiteren Song des Albums kommt das Instrument ebenfalls zum Einsatz. Aber das britische Musikmagazin Wire lag vollkommen richtig, als es "Illuminations" Jahrzehnte später in seiner Hitliste der "100 Albums That Set The World On Fire While No One Was Listening" nannte. Irgendwann verschwand die grandiose Scheibe vom Radar.

Bei Josephine Foster war die Hinwendung zum Synthesizer weniger von dramaturgischen als vielmehr pragmatischen Erwägungen geleitet. Coronabedingt konnten keine Konzertauftritte stattfinden, Direktbegegnungen mit anderen Musikern gestalteten sich schwierig. Also zog sich die Künstlerin in ihr derzeitiges Wohndomizil in den Bergen von Colorado zurück und machte es sich mit einem digitalen Billigsynthesizer aus dem Second-Hand-Shop gemütlich, der auf lateinamerikanische Rhythmen programmiert war.

Eine gewisse Weltentrücktheit ergab sich freilich nicht nur aus den Entstehungsumständen. Mantrahafte Songs wie "Guardian Angel" oder "Nun Of The Above", könnten schon vom Songtitel her locker mit Nina Hagen in ihrem selbstgewählten Behufe als Kosmischer Kurier wetteifern! "Godmother" ist ungewöhnlich seltsam und überhaupt nicht aus der Art geschlagen. Josephine Fosters vorläufige Gesamtdiskographie umfasst neben weiteren ungewöhnlichen Scheiben mit "A Wolf In Sheep's Clothing" ein Album, das Lieder aus dem Schubert/Schumann/Brahms-Fundus enthält, eingesungen in deutscher Sprache. Eine Künstlerin eben, die etwas riskiert.
BG/TM


Josephine Foster
"Godmother"
(Fire; 11.2.22)


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