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Ewig langer Schatten: Gunner & Smith verknüpfen Vergangenheit und Gegenwart

Ein Kerl wie ein Baum, Rauschebart, Basecap, Holzfällerhemd, Bluejeans, derbes Schuhwerk und auf Pressefotos im Dickicht irgendeiner Waldvegetation abgelichtet. Das soll ein Akademiker sein? Würde man nicht vermuten, sollte es aber. Geoff Smith, Sänger und Hauptsongschreiber bei Gunner & Smith, dem Vernehmen nach ein Geschichtsnerd, wollte seiner Passion ein solides Fundament geben und erwarb einen Master's Degree in Religious History, Schwerpunkt Radical Reformation, weiß also jetzt bestens Bescheid, was den sogenannten linken Flügel der europäischen Reformation des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts angeht, eine Bewegung, die sich in Opposition zu Martin Luther herausbildete und beispielsweise durch Thomas Münzer vertreten wurde.

Keine Sorge, ein religiöser Eiferer ist der Mann deshalb nicht. Obschon er sich thematisch nicht unbedingt sehr weit wegbewegt. Seine Songs, lässt sich auf der Bandwebsite nachlesen, handeln von "hope and redemption", einem Grundversprechen christlicher Religionen. Der Titel des zweiten Gunner & Smith-Albums "Byzantium" bezieht sich auf die einstige griechische Enklave am Bosporus, die zu Konstantinopel heranwuchs und noch etwas später zu Istanbul wurde. Das wechselvolle Schicksal des über Jahrhunderte von Machtkämpfen, Kriegen und Zerstörung heimgesuchten Fleckens dient als Metapher für den "endless cycle of war and waste that plague humanity".

Eher vage heißt es im Titelsong, "I’m like an old house/That can no longer keep out the cold/I’ve seen a lot of wicked that this world has to offer/I’ve seen good but it's hidden down low/I’ve heard a man sing the most beautiful song/And watched it fall on deaf ears/There may be prophets among you/But you won’t hear them till the lands gone dry". Doch man muss nicht lange rätseln, was uns das sagen will. Nämlich dass es kein Entrinnen gibt. Der ewig lange Schatten des Menschheitsversagens, dem wir Klimawandel, Artensterben und Unfrieden in der Welt verdanken, reicht bis in die Wälder Kanadas.

Von dort kommen Gunner & Smith, aus Saskatoon, Provinz Saskatchewan, um präzise zu sein. Und genau dort ist "Byzantium" entstanden, unter Aufsicht von Andrija Tokic, dem Produzenten hinter Alabama Shakes sowie Benjamin Booker. Mit dem Prädikat "Dark Country Rock" wird die Scheibe inzwischen belegt. Weshalb auf der Gunner & Smith-Website vorsorglich vermerkt ist, "while the themes are seemingly grim, the music keeps the mood buoyant. Opening the album with a wry, snakey guitar line, Smith’s oft-dark, meticulous visions are rounded out by balladry and brightly melodic guitar-heavy rock". Stimmt, der Titelsong, Schlusspunkt unter "Byzantium" und vom Songtext her eigentlich ein Sendbote der Düsternis, wirkt regelrecht heiter.
Bernd Gürtler SAX 6/19 


Gunner & Smith
"Byzantium"
(Devilduck; 25.1.2019)


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Foto: Devil Duck
Foto: Devil Duck

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