Was würde ihr sagen, was sind die wichtigsten Stationen eurer noch jungen Bandgeschichte?
Demian Kappenstein: Dass wir uns begegnet sind, dürfte die erste wichtige Station gewesen sein. Beide brachten wir eine Leidenschaft für handgemachte, am Jazz orientierte Musik mit. Inéz hat mich dann in ihre Band eingeladen. Wir sind zu fünft gewesen, der Pianist kam aus Amsterdam, Gitarrist und Bassist aus Köln. Dazu Inéz als Sängerin, ich am Schlagzeug. Bereits damals zeichnete sich ab, dass wir uns in Richtung Duo orientieren würden. Wir merkten, dass elektronische Elemente in den Vordergrund drängen und wieviel Freiraum uns eine Duoformation bietet.
Inéz Schaefer: Fünf Bandmitglieder wollen beschäftigt sein. Jeder hat, wie im Jazz üblich, sehr viel gespielt. Irgendwann wurde mir das zu viel, ich wollte mehr hin zu einem Minimalismus. Als wir den ersten Song zu zweit geschrieben hatten, dachte ich, cool, lass uns als Duo weitermachen. Ich spiele auch Piano, nicht perfekt, kann aber auf zwei Synthesizern Bass, Streicher und andere Keyboardklänge mit übernehmen. Zusätzlich nutzen wir für den Gesang ein Effektgerät, das ich mir noch vor dem Studium von meinem Vater habe schenken lassen. Während des Studiums stand es im Schrank, ich wollte zuerst mit meiner Stimme klarkommen.
Demian Kappenstein: Definitiv ist auch unser Auftritt 2017 beim Reeperbahn Festival in Hamburg eine wichtige Station gewesen. Wo wir einen Schub an Aufmerksamkeit verzeichnen konnten, unsere Bookingagentur fanden und merkten, jetzt geht richtig was los. Und das Kennenlernen unseres Produzenten Moses Schneider war wichtig für uns. Er wollte zuerst gar nicht mit uns arbeiten, weil er dachte, wir seien ein Jazzduo. Er selbst kommt aus der Hamburger Schule, kennt sich aus mit E-Gitarren. Aber dann hat er uns gehört und seither gehen wir jeden Schritt gemeinsam. Er bringt ganz andere Einflüsse mit.
Begegnet seid ihr beiden euch als Studenten an der Dresdner Hochschule für Musik, Carl Maria von Weber. Gibt es in der Schweiz, im Saarland, in Nordrheinwestfalen keine vergleichbare Bildungseinrichtung? Warum ausgerechnet Dresden?
Inéz Schaefer: Ich wollte unbedingt bei Celine Rudolph studieren, der Berliner Jazzsängerin, die Professorin an der Dresdner Musikhochschule ist. Ich hatte Musik von ihr gehört und dachte, Wahnsinn, von ihr will ich lernen. Zum Glück klappte es mit einem Studienplatz.
Demian Kappenstein: Bei mir war das ähnlich. Ich hatte als Jugendlicher ein Konzert von Günter Baby Sommer mitbekommen, spät nachts auf Arte. Er trat mit Dietmar Diesner vor dem Karl-Marx-Denkmal in Chemnitz auf. Das war völlig abgefahren, ein Schlagzeuger, der statt der klassischen Tom eine Pauke da stehen hatte, Rahmentrommeln und einen Gong statt Becken schlug. Das war für einen von Skatepunk begeisterten Jugendlichen sehr ungewöhnlich. Als es an die nächsten Ausbildungsschritte ging, fiel mir ein, dass Günter Baby Sommer in Dresden an der Musikhochschule lehrt. Und das hat dann auf Anhieb gepasst. Günter hat gemerkt, dass ich mich sehr für Improvisation und Soundforschung interessiere. Wir sind gleich ein Herz und eine Seele gewesen. Ich erinnere mich auch an das Wochenende der Aufnahmeprüfung. Jeder, der jemals bei schönem Wetter in Dresden unterwegs gewesen ist, wird bestätigen, dass man sich sofort vorstellen kann, hier mehr Zeit zu verbringen. Das hat mich umgehauen, wie die Stadt daherkam und welche Naherholungsmöglichkeiten sie einem versprach.
Nachdem ihr jetzt mehrere Jahre hier lebt, wie empfindet ihr Dresden? Das Flüchtlingsdrama, Pegida, die AfD, der 13. Februar, der Jahr für Jahr von Neonazis als Propagandaplattform genutzt wird, die Nachwehen des Wendeherbstes von 1989, die Globalisierung, dieses und einiges mehr geht um in der Stadt, dass es zum Fürchten ist.
Inéz Schaefer: Vielleicht seltsam, es am Beispiel meines Fitnessstudios in Freital zu erläutern. Aber ich bin lange auf der Suche nach einem Fitnessstudio gewesen und habe mich für dieses entschieden, weil die Betreiber superherzlich sind. Nicht so überheblich wie in der Neustadt. Aber wenn in der Sauna Kommentare kommen wie, ja, die Fidschies, das finde ich schon krass. So redet in Berlin keiner. Dort sagt man, na du. Aber nicht, hey Fidschi. Man spürt deutlich den Wunsch nach Separierung. Sehr traurig. Mir ist es aber ein Bedürfnis hier zu bleiben und nicht nach Berlin, nicht nach Köln zu gehen. Weil, wo endet das, wenn jeder weggeht. Deshalb finde ich es toll, dass es in Dresden eine Band wie die Banda Internationale gibt, die montags, wenn sie können, auf die Strasse gehen. Wenn wir in Dresden sind und Zeit haben, gehen wir gerne mit demonstrieren.
Demian Kappenstein: Thabet Azzawi, der Oud-Spieler der Banda Internationale, der aus Syrien nach Dresden geflohen ist, hat das neulich in einem Interview auf den Punkt gebracht. Ich empfinde genauso, nämlich dass es in Dresden noch richtig was zu tun gibt. Sowohl in Euskirchen, wo ich herkomme als auch in Berlin fühlt es sich nicht so an, als sei noch etwas zu tun. In Dresden sehr wohl. Da kann man sich in Alltagssituationen, im Fitnessstudio, beim Bäcker einbringen. Ähnlich die Mitsingzentrale, mein gemeinsames Projekt mit Reentko Dirks in der Scheune. Wir wollen Menschen zusammenbringen, Gemeinschaftssinn stiften, um Ängste abzubauen, der Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Einige eurer Songs beziehen Stellung zu Gesellschaftsthemen wie sie in Dresden gewissermaßen auf der Strasse liegen. "Try" von "Made By Desire" zum Beispiel. Empfindet ihr es als wichtig, euch zu äußern?
Inéz Schaefer: Uns ist das sehr wichtig. "Try" handelt von einem Neonazi, der sich irgendwann selbst die Frage stellt, ob er wirklich ein Nazi sein will oder weshalb er sonst so frustriert ist. Ihm sage ich, egal welchen Mist du mit deinen Kumpels gebaut hast, versuche es, du kannst aus jedem Schlamassel rauskommen.
Wenn euch Textaussagen so wichtig sind, warum dann englische Songtexte? Auf Deutsch wäret ihr viel besser zu verstehen.
Inéz Schaefer: Wir wollen auch im Ausland verstanden werden.
Demian Kappenstein: Inéz ist im Saarland an der französischen Grenze aufgewachsen, ich bin ein Jahr lang in den USA gewesen. Es kommen immer mehr Menschen aus aller Welt auch nach Dresden. Da scheint Englisch angebracht. Wir sind in Slowenien aufgetreten, in Istanbul, in London. Dieses Jahr gehen wir in Italien auf Tour. Mit deutschen Texten kämen wir nicht weit. Und mit einem soliden Alltagsenglisch und Übersetzungshilfen aus dem Internet geht das schon. So schwer sind unsere Texte nicht.
Gastmusiker auf "Made By Desire" ist der Dresdner Jan Heinke. Mögt ihr ihn selbst vorstellen?
Demian Kappenstein: Sehr gern, man kann nicht genug von ihm schwärmen. Jan Heinke kommt aus dem Jazz, hat früher Saxophon gespielt, dann seine Vorliebe sowohl für physikalische Phänomene als auch den Instrumentenbau entdeckt. Seine Instrumente erzeugen wundersame Klänge, die man so nirgends im Alltag hört. Er hat auch das Stahlquartett gegründet, wo vier Stahlcelli zusammen in einer atemberaubenden Langsamkeit eine Art Weltraummusik spielen, total beeindruckend. Wir kennen ihn über das Wortlos Festival, das vor einigen Jahren im Sozietätstheater stattfand. Ich bin dort mit einem Solokonzert für Schlagzeug aufgetreten, Jan Heinke solo mit seinem Stahlcello. Seither treten wir relativ häufig in verschiedenen Konstellationen zusammen auf. Mit Inéz als Sängerin haben wir alten deutschen Schlager interpretiert.
Inéz Schaefer: Schlager der dreißiger, vierziger Jahre. Das späteste waren Sachen von Hildegard Knef.
Bliebe noch zu klären, woher der Bandname?!
Inéz Schaefer: Ätna war mein Spitzname zu Jugendzeiten, wegen meiner impulsiven Art. Und Demians Eltern sind auf den Ätna gekrakselt, als seine Mutter mit ihm schwanger war.
Demian Kappenstein: Ich war auf dem Ätna, bevor ich geboren wurde!
Inéz Schaefer: Zwei Freundinnen von mir meinten, Ätna wäre vielleicht ein passender Bandname.
Bernd Gürtler SAX 3/20
Ätna
"Made By Desire"
(Humming; 14.2.2020)
Ätna im Netz
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