|   Rezension

The Chills

Snow Bound

(Fire)

Drei Jahrzehnte engagierten Nachvollziehens angloamerikanischer Spielvorlagen bedurfte es, bis neuseeländischer Rock endlich in der westlichen Hemisphäre der Nordhalbkugel Beachtung fand. Zum Durchbruch verhalf eine Compilation, betitelt "Tuatara", herausgegeben vom in Christchurch ansässigen Label Flying Nun und 1986 von Normal Records in Bonn für Westeuropa lizensiert. The Chills sind an prominenter Stelle vertreten.

Das Markenzeichen der in Dunedin gegründeten Band um Sänger und Songschreiber Martin Phillipps ist ein ans elektrische Gitarren-Jingle-Jangle der amerikanischen The Byrds erinnernder Sound mit massiven Ohrwurmqualitäten. Wobei der Inhalt oft im krassen Widerspruch zur charmanten Verpackung steht. Zwei ihrer bekanntesten Songs handeln vom Tod. Das eher wohl fiktive "Pink Frost" beschreibt das panische Entsetzen von jemandem, der offenbar einen geliebten Menschen versehentlich im Schlaf tötet. "I Love My Leather Jacket" wiederum bezieht sich auf den 1983 an Leukämie verstorbenen Schlagzeuger Martyn Bull. Aus heutiger Sicht ist der Verlust des The Chills-Mitstreiters lediglich der Vorbote weiterer Katastrophen. Die schlimmste wird sein, dass Martin Phillipps Mitte der Neunziger in eine tiefe Depression stürzt, infolgedessen heroinabhängig wird, sich durch eine verunreinigte Spritze an Hepatitis C infiziert und dem Alkohol verfällt, nachdem er sich in Therapie begab. Zumindest teilweise erklärt das die knapp zwanzigjährige Pause bis zum nächsten neuen Studioalbum "Silver Bullets" von 2015. "Snow Bound" ist auch nicht unbedingt auf der Sonnenseite gewachsen. “You cut through the city like a surgeon’s knife/On a quest for life but saving no one", grummelt es bedrohlich zum entzückenden Gitarrenmotiv des Titelsongs. Eine dokumentarische Filmbiographie über Martin Phillipps befindet sich laut Plattenfirma in der Endfertigung und soll 2019 zur Aufführung kommen.
Bernd Gürtler/TM


The Chills
"Snow Bound"
(Fire; 14.9.2018)


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Foto: Alex Lovell Smith

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