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Alles fließt: Efterklangs Casper Clausens Solodebüt "Better Way" entstand am Rio Tejo vor den Toren Lissabons

Efterklang ist das dänische Wort für Nachhall und in der Musikwelt ein Begriff. Wegen der gleichnamigen Band, die sich vor knapp zwanzig Jahren in Kopenhagen aus drei Jugendfreunden von der dänischen Ostseeinsel Als gründete. Casper Clausen, eins der Gründungsmitglieder, zog es inzwischen nach Lissabon, wo sich ein Winzigstudio in unmittelbarer Ufernähe zum Rio Tejo als Einspielrefugium für sein Solodebüt "Better Way" fand. Das Album ist von der Örtlichkeit geprägt, ergab eine telefonische Interviewverabredung mit dem Künstler.

Biographische Notizen zu Efterklang nennen aktuell Berlin als Lebensmittelpunkt der Bandmitglieder. Wie kommt es, dass "Better Way" in Lissabon eingespielt wurde?
Ich bin 2016 nach Lissabon gezogen und entdeckte dieses kleine, feine Studio in einem ehemaligen Fischereidepot in Almada, einer Ortschaft gegenüber von Lissabon auf der anderen Seite des Flusses. Ich trug mich seit geraumer Zeit mit dem Gedanken eines Soloalbums. Nach jahrelanger Mitgliedschaft in einer Band kein allzu abwegiges Bedürfnis sicherlich. Ich beschloss, dass das, was in diesem Studio an Musik entsteht, ein Soloalbum wird.

Und das Album ist von Lissabon, der Stadt, deinem Leben dort inspiriert?
Jedes Album, an dem ich beteiligt gewesen bin, ist inspiriert von den Plätzen, an denen es entstand. Für "Better Way" gilt das im Besonderen. Ein Fotoschnappschuss, abgedruckt im Albumcover, zeigt einen Blick aus dem Studiofenster. Ich konnte in den Rio Tejo spucken, so dicht am Flussufer lag das Studio. Ich sah den Schiffen zu, die vorbeizogen. Ein wunderbarer Anblick! Was mich aber am meisten inspirierte, war das Wasser. Laurie Anderson erzählte mal in einem Interview, dass sie ein Studio an der New Yorker Brooklyn Bridge hatte und das Tempo ihrer Musik an der Fließgeschwindigkeit des East River orientierte. Sie schaute auf das Wasser, und wenn das Tempo der Musik abwich, konnte etwas nicht stimmen. Da ist was dran. Nicht unbedingt bei Flut, wenn der Ozean in den Fluss hineindrückt, der Wasserstand um zwei, drei Meter steigt, die Boote schaukeln, Müll angespült wird, aber wenn der Fluss bei Ebbe gemächlich zur offenen See hin fließt, das diente mir als Referenz. Ich achtete sehr darauf, dass das, was im Studio geschieht, mit dem korrespondiert, was sich außerhalb abspielt.

Verdankt sich das überlange, instrumentale Elektrointro zum Eröffnungssong "Used To Think" auch dem Wasser? Eher fühlt man sich an Kraftwerk erinnert!
Das nehme ich als Kompliment, ich bin Fan von Kraftwerk. Ich mag die Krautrockbeats von "Autobahn", diese Monotonie, das unbeirrte Vorwärtsstreben. Bei "Used To Think" bin ich ernsthaft mit mir ins Gericht gegangen. Sollte ich das Intro in der Überlänge beibehalten? Ich mag das längere Intro, man wird in eine Klangwelt hineingezogen und nach dreieinhalb Minuten im Hauptteil auf eine andere Ebene gehoben. Die Szenerie wechselt. Ich bin mir bewusst, dass wir in einer Zeit leben, wo die Aufmerksamkeitsspanne kaum noch weiter als bis zum nächsten Moment reicht. Das betrifft auch mich. Sollte ich das Intro also kürzen? Ich entschied mich dagegen. Wenn ich Songs von Kollegen gut finde, dann nicht wegen der Länge des Intros oder der Länge des Songs. Ich ließ das Kürzen bleiben und vermied es, den Song leichter verdaulich zu machen.

Dein Soloalbum ist einzigartig, eine vollkommen individuelle Handschrift und erinnert dennoch an die besten Momente von Efterklang. Besonders an "Piramida" von 2012, das wahlweise als Efterklangs "Dark Side Of The Moon" oder "OK Computer" gehandelt wird. Wie wichtig war die Zeit mit der Band für dich?
Sehr wichtig, ich begann das Musikmachen mit Fünfzehn, Sechzehn, vor Efterklang. Die Band hieß noch anderes, aber Mads Brauer und Rasmus Stolberg sind schon dabei gewesen. Mit einem Kredit von der Bank kauften wir uns einen Computer und eine Musiksoftware von ProTools. Wir brachten uns selbst bei, wie man Schallplatten einspielt, Schallplatten veröffentlicht. 2003 erschien mit "Springer" unser erstes Minialbum, 2004 mit "Tripper" unser zweites und erstes richtiges Album. Der institutionelle Schulbetrieb war nichts für uns, unsere Schule hieß Efterklang. Mein Soloalbum unterscheidet sich nicht gravierend von Efterklang, ich wollte mir meinen eigenen Gestaltungsraum schaffen. Efterklang sind meine Teenagerebellion gewesen. Aber wie heißt es? Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Meine Sologeschichte wurzelt in der Geschichte von Efterklang.

Wie würdest du eure Musik beschrieben wissen wollen. Als Songs? Als Soundtracks? Als Kompositionen im sinfonischen Sinne der Klassik?
Sie sind das alles und einiges mehr. Efterklang lassen sich schlecht einordnen. Versucht wurde es vielfach, genauso oft vergeblich. Wenn ich gefragt werden, wie ich persönlich Efterklang beschreiben würde, gegenüber jemandem, der uns noch nie gehört hat, spreche ich von Alternative Pop. Das schließt alles ein. Für Efterklangs "Piramida" reisten wir in die verlassene russische Bergarbeitersiedlung Pyramiden auf Spitzbergen und nahmen Geräusche auf, die wir zu Soundsamples verarbeiteten. Wir komponierten für Orchester, fürs Theater, schrieben Filmsoundtracks. Ich überlasse es den Journalisten und Hörern, die sich berufen fühlen, uns mit einem Etikett zu versehen.

Die Alben von Efterklang sind in englischer Sprache eingesungen, mit Ausnahme von "Altid Sammen" von 2019, das auf Dänisch gesungen ist. War das eine Herausforderung in deine Muttersprache zu wechseln?
Das war es, ich hatte zehn Jahre außerhalb von Dänemark gelebt. Ich kenne die Sprache sehr gut, sie bildet das Fundament wie es die Muttersprache für einen jeden bildet. Aber ich fühlte mich lange nicht bereit, meine Muttersprache in meine Musik einzubinden. Es gibt dänische Bands, die auf Dänisch singen, einige finde ich richtig gut. Dann, bei unserer Kooperation mit Pieter Theuns und seinem Barockensemble trafen wir in Antwerpen auf belgische Musiker, die Flämisch sprachen. Flämisch, Belgisch und Dänisch weisen gewisse Gemeinsamkeiten auf, bestimmte Worte ähneln einander. Damals reifte die Idee, dass ich vielleicht doch auf Dänisch singen könnte. Durch das belgische Barockensemble fühlte ich mich ermutigt, dass die Sprachen, in der ich kommuniziere, nicht notwendigerweise Englisch sein muss. Eine entscheidende Motivation ist darüber hinaus gewesen, dass nur wenige, die unsere Musik hören, verstehen worüber ich singe. Das wird uns immer wieder vorgehalten. Die Songtexte sind für mich nicht der leichteste Part am Songschreiben. Ich dachte, eventuell ergibt sich über die Muttersprache etwas. Neues auszuprobieren ist immer gut. Auf Dänisch zu schreiben, bedeutete ein gänzlich anderes Vokabular zu nutzen. Eine andere Art zu haben, wie Worte ausgesprochen werden, wie sie sich biegen und dehnen lassen. Auf Englisch fällt das mitunter schwer. In meiner Muttersprache kann ich Dinge sagen, selbst wenn das grammatikalisch schief ist. In meiner Muttersprache weiß ich, wie ich es anstellen muss, dass das trotzdem Sinn ergibt. Ich kann Wortspiele, eigene Wortkreationen einsetzen. Songtexte auf Dänisch zu schreiben, eröffnete eine Möglichkeit, mich einer mir vertrauten Sprache mit einem frischen Zugang zu nähern.

Dass sich schwer bis gar nicht erschließt, wovon du eigentlich singst, ist eine der heftig debattierten Facetten an Efterklang und jetzt sicher auch in Bezug auf dein Soloalbum. Was möchtest du durch deine Songtexte mitteilen?
Wenn es gut läuft, ist das ein Strom aus Gedanken, egal ob auf Dänisch oder Englisch. Meistens setze ich mich hin, will einen Song schreiben und selten ist der Songtext bereits vorhanden. Meine Songtexte entstehen, während ich nach einer Musik suche. Ich singe Melodien, und beim Singen ergeben sich Worte oder Wortsentenzen. Für die Musik braucht es meist zwanzig Minuten, eine halbe Stunde, für den Songtext zwei Jahre. So ungefähr jedenfalls. Bei "Ocean Wave", dem finalen Song auf "Better Way", erzähle ich vom Ozean, von den Schiffen, den Gedanken, die wegfließen beim Betrachten des Ozeans. Es geht darum, dass ich jemanden vermisse, ich mich an etwas erinnere, das mir beim Betrachten des Ozeans in den Sinn kommt. Nach und nach wird der Ozean zu etwas, das uns verbindet anstatt uns trennt. Wer sich "Ocean Wave" anhört, hört meinen allerersten Gesangstake. Für mich sind Songtexte in der Regel die Hausaufgabe, die erledigt werden muss. Bei "Ocean Wave" war es so, dass mir die Atmosphäre gefiel. Der Songtext transportiert keine direkte Aussage. Das sind Sprachbilder, die eine Atmosphäre schaffen. Gegen Ende hört man, wie ich sage, sorry, ich muss zur Fähre. Das hat sich tatsächlich so zugetragen. Ich musste die letzte Fähre um 1.20 Uhr hinüber nach Lissabon erwischen. Bei diesem Album versuchte ich eine Balance zwischen spontaner Eingebung und dem Gegenteil davon.

Die farbige Porträtzeichnung von dir auf dem Albumfrontcover, steuerte Fatima Moreno bei, eine portugiesische Illustratorin. Magst du sie vorstellen?
Wir kennen uns von einem Konzertbesuch in Barcelona, Bill Callahan spielte. Wir sind uns danach mehrmals wieder über den Weg gelaufen und zur selben Zeit in Lissabon gelandet. Sie ist eine brillante Illustratorin und ihr Frontcover die perfekte Albumergänzung.

"Better Way" erscheint zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Weltweit ist der Kulturbetrieb mehr oder weniger zum Nichtstun verdammt, Stichwort Coronapandemie.
Das sind komplett andere Bedingungen als bei jedem Album der Vergangenheit, stimmt. Aber ich bin froh, dass "Better Way" jetzt vorliegt. Das Album musste unter die Leute, ich bin auf die Reaktionen gespannt.
Bernd Gürtler SAX 5/21 


Casper Clausen
"Better Way"
(CitySlang; 8.1.2021)


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Foto: Hanna Sturm
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