|   Rezension

Say She She

Cut & Rewind

(drink sum wtr)

Drei Frauen, die sich trauen und mit vereinter Sangeskraft in der Sparte Disco antreten. Nicht aus nostalgischer Rückwärtsgewandtheit, überhaupt nicht. Say She She wollen vielmehr den Gedanken streuen, dass das Tanzbodengenre von anno dazumal kein historisches Relikt ist.

Piya Malik, gebürtige Londonerin, und Sabrina Cunningham, sind Nachbarn im selben Wohnblock auf der Lower Eastside von Manhattan gewesen und konnten sich durch die Zimmerdielen gegenseitig bei ihren Gesangsübungen zuhören. Die beiden entdecken gemeinsame Vorlieben für mehrstimmige Satzgesänge nach dem Vorbild der Girl Groups der glorreichen Sixties, beide mögen ironische Songkommentare auf gescheiterte Beziehungen. Piya Maliks Freundin Nya Parker Gazelle als Dritte im Bunde, lässt Say She She konkret werden. Der Bandname angelehnt an Nile Rodgers und dessen Formation Chic, einen der prominentesten Vertreter des Discosounds der siebziger Jahre. Hauptsächlich von dort beziehen Say She She ihr stilistisches Vokabular, bloß dass ihre Songs nicht "Dance, Dance, Dance", "Everybody Dance" oder "Le Freak" heißen und den hedonistischen Partygeist jener Ära widerspiegeln, sondern teils substanzielle Gesellschaftskommentare abgeben.

Das geschmeidige "Under The Sun" solidarisiert sich mit dem Streik der Writers Guild Of America von 2023 in Hollywood. "She Who Dares" entwirft eine düstere Zukunftsdystopie. "Disco Life", das Kernstück von "Cut & Rewind", erinnert an die Disco Demolition Night von 1979, als Radio-DJ Steve Dahl seine Hörerschaft ins Comiskey Stadium von Chicago einlud, der öffentlichen Zerstörung von Discoschallplatten beizuwohnen. In der Pause eines Doubleheader-Baseballturniers der Chicago White Sox und Detroit Tigers, sprengt er einen Container mit Schallplatten in die Luft, woraufhin Zuschauer den Platz stürmen und das Spielfeld verwüsten. Die Veranstaltung gilt als kalkulierte Provokation erzkonservativer Rockanhänger gegenüber Schwarzen, queeren Menschen und Frauen, vor allem sie hatten Disco als Spielraum für sich entdeckt und geraten seit Donald Trumps Wiederwahl erneut unter Druck.

Wer bereits beim Vorgängeralbum "Silver" auf Say She She gestoßen ist, dürfte sich eventuell an "Norma" beziehungsweise "Echo In The Chamber" erinnert fühlen. Das eine ein Song zum in Sachen Abtreibungsrecht wegweisenden U.S. Supreme Court Case Roe gegen Wade. Das andere der Aufruf, sich für schärfere Waffenkontrollgesetze in den Vereinigten Staaten einzusetzen. Ein Discoinferno der ganz anderen Art, um es mit dem gleichnamigen Discogassenhauer der The Trammps zu formulieren.
Bernd Gürtler/TM


Say She She
"Cut & Rewind"
(drink sum wtr; 03.10.25)


Say She She im Netz
Website | Facebook | Instagram | YouTube | Spotify | Deezer | Apple | Bandcamp

Foto: Alyssa Boni

neue Beiträge