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Nonstop Christmas: Das andere Weihnachten mit Erdmöbel

Weihnachten steht vor der Tür, alle Jahre wieder, und mit ebensolcher Regelmäßigkeit bringen Erdmöbel seit 2006 ihr Weihnachtsprogramm auf die Konzertbühnen des Landes. Einfach so oder aus triftigen Gründen? Ekki Maas, Komponist, Multiinstrumentalist und Produzent der Kölner Quartettformation, wollte die spannende Frage gern telefonisch beantworten.

Vorbild sei England, erläutert Ekki Maas, wo amtierende Populärmusikstars Jahr für Jahr Weihnachtsschallplatten veröffentlichen und die Menschen zu Weihnachten auch richtig Spaß haben könnten, was in Deutschland eher weniger der Fall sei. "Die Erwartungen sind sehr hoch gesteckt und werden meistens enttäuscht. Vielleicht liegt es daran, dass wir keine lustigen Lieder singen, sondern traditionelles Liedgut, das keiner richtig toll findet, aber mitsingt, weil Mitsingen Pflicht ist. Wir dachten, versuchen wir es anders."

Aus naheliegenden Gründen war ihr erster Weihnachtssong eine Coverversion, von "Last Christmas" aus dem Repertoirefundus der englischen Formation Wham! Die in der deutschen Übersetzung durch Erdmöbels Sänger und Songtextschreiber Markus Berges im Unterschied zum Original was erzählt? Bei Wham! geht es um jemanden, der ein "Weihnachten ohne die Lebensgefährtin vom letzten Jahr verbringt. Sie hat ihn verlassen und der Protagonist des Songs sagt an sie gerichtet, siehst du, hier meine neue Flamme. Bilde dir bloß nichts ein, du warst böse zu mir. Das Video zeigt Freunde, wie sie sich in einer Skihütte treffen. Ein bisschen kitschig, aber sehr schön. Wir konnten es trotzdem nicht mehr hören, weil es seit den achtziger Jahren jedes Weihnachten totgenudelt wird. Unser Song macht sich sowohl über das Original als auch das Weihnachtsfest lustig. Der Songtext sagt, Weihnachten ist mir doch egal".

Ein Bekenntnis, dem zumindest Ekki Maas vorbehaltlos beipflichten kann. "Ich empfand noch nie übermäßig viel Freude daran, dass die Familie sich trifft, sich alle liebhaben sollen. Bei mir hat das nie funktioniert. Die Schenkerei bereitet mir auch keinen sonderlichen Spaß, genauso wenig die Süßigkeiten, weil ich immer viel zu viele esse und mir dann schlecht wird. Weihnachten ist nicht wirklich meins. Keine Ahnung weshalb, es ist einfach so." Und zu Kinderzeiten? Ernsthaft entgegnet Ekki Maas, "bist du zufrieden gewesen mit den Geschenken, die du bekommen hast? Hat dir das nicht vielleicht doch etwas ausgemacht, wenn deine Tante dir Küsschen geben wollte, du Verwandtenbesuche über die Feiertage absolvieren musstest? Auch bei Kindern sind die Erwartungen unglaublich hoch und das, was letztlich passiert, gar nicht so schön."

Mit ihrem Weihnachtsprogramm stellen sich Erdmöbel nichtsdestotrotz in eine bemerkenswerte Tradition, die, bloß um im Rock zu bleiben, bei Elvis Presleys "Blue Christmas" oder Chuck Berrys "Run Rudolph Run" beginnt, sich fortsetzt mit den auf Vinylsingle gepressten Weihnachtsbotschaften der Beatles und Anfang der siebziger Jahre eine erste Blüte erlebt. Man denke an das gesellschaftskritisch eingefärbte "Happy X-Mass/War Is Over" von John Lennon & Yoko Ono, das deftige "Merry X-Mass Everybody" von Slade oder das den Weihnachtskaufrausch verspottende "I Wish It Could Be Christmas Everyday" von Wizzard, einer Interimsformation um Roy Wood auf halber Strecke zwischen Move und Electric Light Orchestra. Nachfolgen sollten das David Bowie/Bing Crosby-Duett "Peace On Earth/Little Drummer Boy", Greg Lakes "I Believe In Father Christmas" oder "Christmas Card From A Hooker In Minneapolis" von Tom Waits. Auch immer wieder hörenswert Run DMCs "Christmas In Hollis", James Browns "Santa Claus Go Straight To The Ghetto" oder "Chrismas At The Zoo" von The Flaming Lips.

Nicht fehlen darf in der Auflistung selbstredend "Do They Know It's Christmas?" der losen Künstlervereinigung Band Aid. Zum vierzigsten Veröffentlichungsjubiläum erlebt es 2024 soeben eine weitere Neuauflage mit alternativer Songtextversion und gerät umgehend in die Kritik, weil es angeblich neokolonialistischen Tendenzen Vorschub leistet, Afrika als düsteren, unselbständigen, auf Hilfe des weißen Nordens angewiesenen Kontinent zeichnet; initiiert wurde das Projekt 1984 von Bob Geldof, der aufrichtig und zutiefst erschüttert war angesichts der Fernsehberichte über eine dramatische Hungersnot in Äthiopien. Ekki Maas kann dem Song so oder so wenig abgewinnen, nicht originell genug, sein Urteil. Die Weihnachtssongs der Erdmöbel finden sich auf "Geschenk" und feiern die Winterweihnachtszeit als Ganzes. Mehrmals wurde das Album um neue Songs ergänzt. Einer, der 2024 dazukommt, ist dem Weihnachtsgeschenkpapier gewidmet.
Bernd Gürtler/TM


Erdmöbel
"Geschenk"
(jippie! Industrie; 2014)


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Konzerte
Weihnachtstour
05.12.24 Münster, Friedenskapelle am Friedenspark
06.12.24 Dresden, Groovestation
14.12.24 Berlin, Lido
15.12.24 Hamburg, Knust
16.12.24 Köln, Gloria
19.12.24 Frankfurt/Main, Brotfabrik
20.12.24 München, Backstage
21.12.24 Freiburg, Jazzhaus

Foto: Matthias Sandmann
Foto: Matthias Sandmann
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